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Risotto Mit Otto

Titel: Risotto Mit Otto
Autoren: Angela Troni
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Abteil vorliebnehmen, in dem noch genügend Plätze verfügbar waren. Als ich mich umsah, wusste ich auch sofort, warum: Das Tropenholzimitat an den Wänden war verkratzt, die kleine Leselampe an der Gepäckablage funktionierte nicht, und die Flecken auf dem Teppichboden sprachen eine deutliche Sprache: igitt! Ich beschloss, die ganze Fahrt über nichts zu trinken, damit ich ja nicht auf die Toilette musste, und verfluchte, ganz undankbare Tochter, die ich nun mal war, meinen geizigen Vater, der mir statt eines Fluges – meinetwegen auch Economy – nur ein Bahnticket zweiter Klasse gesponsert hatte.
    Ich stellte mich in die Tür des uralten Waggons, in dem ich die Nacht verbringen sollte, und hatte Bauchschmerzen vor Aufregung. Ehrlich gesagt hatte ich auf einmal mehr Angst, ein Jahr in dem mir plötzlich kalt und abweisend erscheinenden Deutschland zu verbringen, als ich mir je selbst eingestehen würde, aber natürlich versuchte ich, mir nichts anmerken zu lassen. »Vado al massimo« , sprach ich mir mit Vasco Rossis Worten Mut zu und lächelte tapfer. Schließlich wollte ich unter keinen Umständen eine so peinliche Vorstellung liefern wie die Zwillinge. Laura und Paola standen mit verquollenen Augen vor mir auf dem Bahnsteig und heulten wie Sophia Loren erst neulich vor laufender Kamera, nachdem sie die Doku über ihr Leben gesehen hatte.
    Unterdessen steckte mamma, die in ihrem dunkelblauen Kostüm mal wieder aussah wie aus dem Ei gepellt, mir ein Essenspaket nach dem anderen zu. »Hier, den hat zia Giusi mir für dich mitgegeben«, sagte sie und hielt mir ein riesiges Stück Parmesan unter die Nase.
    »Glaubst du, in Deutschland herrscht eine Hungersnot?«, fragte ich sie und versuchte, den Käse in die prall gefüllte Tasche mit der verführerisch duftenden Wildschweinsalami zu quetschen. Ich stellte sie zur Seite, zu den anderen Tüten, aus denen mehrere Großpackungen Frühstückskekse, Nudeln, Thunfischdosen, eingelegte Artischocken, Baci di Dama und eine Flasche Olivenöl herauslugten.
    »Man weiß nie. Diese Deutschen sollen ja Wurst und Käse zum Frühstück essen. Unglaublich, so was nennen die allen Ernstes Esskultur!« Meine Mutter schüttelte sich und deutete auf die grüne Flasche mit dem Öl. »Das ist das gute, von nonna Maria. Sie hat mir extra was von dem handgepressten olio für dich mitgegeben. Verwende es sparsam, so was Feines gibt es in München ganz bestimmt nicht.«
    »Danke, ich werde gut drauf aufpassen«, sagte ich gerührt und wischte mir nun doch eine Träne aus dem Augenwinkel.
    Meine heißgeliebte Oma hätte ich am liebsten in den Koffer gepackt und mitgenommen, und zwar nicht nur weil sie die besten Tortellini pasticiati aller Zeiten und eine Lasagne machte, die zum Niederknien war. Meine nonnina, die bei uns unterm Dach wohnte, war einfach ein Schatz und immer für mich da, wenn ich sie brauchte. Keiner konnte so gut zuhören wie sie, und wenn sie von früher erzählte, dann hing ich jedes Mal wie gebannt an ihren Lippen und konnte nicht genug bekommen.
    Inzwischen war es eine Minute nach elf, und die Lautsprecheransage am Bahnsteig ließ verlauten, dass der Zug nach Monaco di Baviera über Verona, Innsbruck, Jenbach, Wörgl, Kufstein und Rosenheim in wenigen Minuten abfahrbereit sei. Babbo war wohl noch immer auf Parkplatzsuche, denn er war weit und breit nicht zu sehen. Anstatt den Punto wie jeder anständige Italiener einfach mitten vor dem Bahnhof im absoluten Halteverbot stehen zu lassen, hatte er darauf bestanden, den Wagen ordnungsgemäß auf einem richtigen Parkplatz abzustellen, und war noch mal um den Block gefahren. Wahrscheinlich wurde er fündig, wenn mein Zug in den Bahnhof von München einrollte.
    »Ruf an, sobald du angekommen bist, damit ich weiß, dass alles in Ordnung ist«, sagte mamma . »Hörst du?«, fügte sie hinzu.
    »Ja klar, mach ich«, versicherte ich und stieg noch mal aus. Zum Abschied zwickte ich Paola in den Oberarm. »Hör endlich auf zu heulen. Die Wimperntusche war teuer«, foppte ich sie. Dabei hätte ich inzwischen selbst am liebsten losgeflennt. Wie immer war ich dann besonders garstig, um von mir abzulenken, doch mein Schutzpanzer aus Sarkasmus fing bedrohlich an zu spannen.
    Wir umarmten und küssten uns, und für einen Moment überlegte ich, ob ich mein Gepäck alleine auf die Reise schicken sollte. Signor Colluti konnte dann in München statt mich meine Koffer und Tüten in Empfang nehmen. Er würde sich bestimmt über die Leckereien
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