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Risotto Mit Otto

Titel: Risotto Mit Otto
Autoren: Angela Troni
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nächste Generation weitergeben können. Dabei hätte er sogar zu schwierigen Themen wie etwa »Wie halte ich vier Frauen gleichzeitig bei der Stange, ohne dass sie voneinander erfahren, auch wenn sie alle im selben Hotel wohnen« oder »Wie komplimentiere ich selbst die sprödeste deutsche Jungfer in mein Bett« etwas zu sagen gehabt.
    Beim Gedanken an zio Gaetano, der noch heute mit seinen zweiundsiebzig Jahren, gut fünfzig Kilo Übergewicht und mehr als schütterem Haupthaar vor Selbstbewusstsein strotzte, musste ich grinsen. Nach wie vor ließ er keinen Flirt unversucht und warf sich ebenso galant wie charmant in Pose, sobald ein weibliches Wesen in der Nähe war. Vorzugsweise versuchte er sein Glück bei Zwanzigjährigen, versteht sich. Schließlich wusste er, was gut war, und hatte obendrein Geschmack. An meiner besten Freundin Valeria hatte er geradezu einen Narren gefressen, und wann immer sie zu mir kam, rief sie vorher an und fragte, ob die Luft rein sei oder ob der altersschwache Gigolo wieder bei uns herumlungere.
    Eigentlich könnte ich Vale noch eine SMS schreiben, dachte ich und zog mein Handy hervor. Schnell tippte ich ein paar Worte, obwohl wir uns schon siebenundvierzigmal voneinander verabschiedet hatten – in den letzten drei Tagen. Die Male davor zählte ich gar nicht erst mit. Die Trennung von ihr fiel mir mit am schwersten, schließlich hingen wir quasi vierundzwanzig Stunden täglich zusammen, wussten alles voneinander und taten so gut wie keinen Schritt ohne einander. Ehrlich gesagt vermisste ich sie jetzt schon. »Mi manchi« , tippte ich daher und setzte noch ein » TVTB  – ich hab dich sehr lieb« dahinter. Die Antwort kam, kaum dass ich auf »Senden« gedrückt hatte.
    Von dem Klingelton der eintreffenden SMS wurde Paola wach. Verschlafen rieb sie sich die Augen und fragte: »Sind wir endlich da?«
    »Wieso?«, fragte ich zurück. »Geht etwa wieder gleich was daneben?«
    Damit zog ich sie auf, seit sie vier war. Damals hatten wir auf der Fahrt von Riccione nach Ferrara bestimmt zehnmal anhalten müssen, mamma war mit ihr zur Toilette gerannt, und jedes Mal hatte sie dann nicht »gekonnt«. Am Ende hatte sie im Auto in die Hose gemacht. Der demütigende Vorfall verfolgte Paola bis heute, und ich als liebevolle Schwester nutzte – genau wie Laura – jede Gelegenheit, um sie fürsorglich daran zu erinnern. Damit ja nicht wieder was danebenging.
    »Bäh!«
    Sie beugte sich vor, um mir die Zunge rauszustrecken, und weckte dabei Laura. Sofort fingen die beiden an zu streiten, wie eigentlich immer, seit sie auf der Welt waren. Früher hatten sie sich die Bauklötze und Barbiepuppen um die Ohren gehauen, heute stritten sie um ihre Klamotten und Jungs. Jetzt ging es darum, wer wen warum aufgeweckt hatte. Lautstark warfen sie sich Gemeinheiten an den Kopf und gestikulierten dabei wild, bis mamma sie zur Raison rief.
    »Ragazze« , sagte sie und machte eine eindeutige Handbewegung, um das Palaver zu beenden, wobei die vielen goldenen Armbänder an ihrem Handgelenk klirrten, »jetzt reißt euch mal zusammen. Schließlich werdet ihr eure Schwester ein Jahr lang nicht sehen. Wir sind jeden Moment da.«
    Ich hatte gar nicht richtig hingehört, doch bei dem letzten Satz fuhr ich hoch und spähte wieder durch die Windschutzscheibe. Tatsächlich, wenige Meter vor uns erhob sich der hell angestrahlte gelbe Sandsteinbau des Hauptbahnhofs von Bologna. Ein kritischer Blick auf eine der Uhren, die seitlich an dem Gebäude hingen, ließ mich erleichtert aufatmen: Viertel vor elf. Alles in bester Ordnung. Ich konnte mir sogar noch eine Vogue kaufen, bevor ich in den Zug stieg.
    Zehn Minuten später war mein Gepäck in dem engen, leicht muffigen Abteil verstaut. Angeekelt rümpfte ich beim Anblick der Klaustrophobie auslösenden Zelle die Nase und fragte mich lieber nicht, wie viele schwitzende Menschen vor mir schon auf den sichtlich beanspruchten Sitzen gesessen hatten. Nun gut, letztlich hieß das nur, dass meine Instinkte perfekt funktionierten. Bekanntlich fördert Verliebtheit ja die Fortpflanzung, Angst mobilisiert den Fluchtreflex, und Ekel verhindert Vergiftungen. Mein Körper sorgte also nur vor.
    Eigentlich hatte babbo mir einen Platz im Schlafwagen buchen wollen, doch leider war schon alles belegt gewesen, selbst im Liegewagen, wo man für ganze acht Stunden seines Lebens mit fünf anderen Personen auf drei Quadratmetern zusammengepfercht wurde. Wohl oder übel musste ich daher mit einem
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