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Risotto Mit Otto

Titel: Risotto Mit Otto
Autoren: Angela Troni
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freuen, und meine Klamotten konnte er gewinnbringend verkaufen. Schließlich waren es ausschließlich Markensachen: Gucci, Armani, D&G, Prada – ich wusste eben, worauf es im Leben ankam.
    Aber als der Schaffner neben mich trat und mich aufforderte einzusteigen, zögerte ich keine Sekunde und erklomm die hohen Stufen. Gerade als sich die Türen schlossen, kam babbo auf den Bahnsteig gestürmt, eine Stange Baci Perugina in der Hand, meine Lieblingspralinen. Am meisten mochte ich die ganze Haselnuss, die im Innern steckte, und freute mich jedes Mal auf den transparenten Zettel mit dem weisen Spruch, in den die Praline eingewickelt war.
    »Halt!«, rief er völlig außer Atem und sprintete neben dem anfahrenden Zug her. »Meine Tochter!«
    Ich streckte den Arm aus dem Fenster, so weit ich konnte, und erwischte die Packung, bevor der Zug richtig an Fahrt gewann und meine Eltern und die winkenden Zwillinge immer kleiner wurden. Die beiden gertenschlanken Gören überragten unsere Mutter bereits um mehrere Zentimeter, und auch babbo wirkte auf einmal erstaunlich klein neben ihnen. Mamma warf mir im Stakkato Handküsse zu und bedeutete mir erneut mit einer Geste, sie ja anzurufen, sobald ich angekommen war. Ich nickte und winkte und nickte und winkte und nickte und winkte, bis der Zug die Stadtgrenze längst hinter sich gelassen hatte und die Dunkelheit die vorbeiziehenden Bäume und Büsche verschluckte.
    Irgendwann riss ich mich los und ging ins Abteil zurück, in dem nun eine Blondine mit Pferdeschwanz, modischen engen Jeans und lila Chucks im Schneidersitz dasaß und im Takt eines Songs wippte, den sie mit einem altmodischen Walkman hörte. Sie war etwa so alt wie ich und las völlig versunken in einem Buch. Als ich die Schiebetür aufzog, blickte sie auf und zog sich die Kopfhörer von den Ohren.
    »He, wanderst du aus?«, fragte sie und deutete auf mein Gepäck, das über sämtliche Sitze verteilt war.
    »Guter Witz«, antwortete ich und versuchte, die Tüten aufeinanderzustapeln, um wenigstens eine schmale Ecke zum Sitzen zu haben. Dann ließ ich mich in das speckige Polster fallen, wobei ich darauf achtete, dass meine zarte Haut möglichst nicht mit dem verseuchten Stoff in Berührung kam, und erzählte ihr von meinem bevorstehenden Auslandssemester in der bayerischen Metropole.
    Beate, die in Bologna einen Schulfreund besucht hatte, kam aus Passau, studierte ebenfalls in München, Byzantinische Kunstgeschichte und Neogräzistik, und abgesehen davon, dass mir absolut schleierhaft war, wie man sich dafür interessieren konnte, war sie mir auf Anhieb total sympathisch. Wir fingen fünf Kilometer hinter Bologna an zu quatschen und hörten erst wieder auf, als der Lautsprecher über unseren Köpfen knarzte und die Durchsage kam, dass wir in wenigen Minuten München erreichen würden.
    Ich hatte mich, außer mit Vale, selten auf Anhieb so gut mit jemandem verstanden, und nach knapp acht Stunden Fahrt wussten wir fast alles voneinander. Beate hatte mir von ihrem langjährigen Freund erzählt, der sie vor kurzem erst wegen einer anderen verlassen hatte, und ich hatte ihr gebeichtet, dass ich – auch dank meines Vaters, seines Zeichens Schießhundestaffelführer – noch nie eine längere Beziehung gehabt hatte. Nicht auszudenken, was bei uns zu Hause los gewesen wäre, wenn babbo auch nur geahnt hätte, dass mich das nicht davon abgehalten hatte, mit dem einen oder anderen Typen, der mir gefiel, all das auszuprobieren, von dem er nicht mal zu träumen wagte. Selbst in seinen kühnsten Alpträumen nicht.
    Die quirlige Studentin, die genauso gerne und schnell redete wie ich, lachte nur, als ich ihr von meinen Erlebnissen am Strand und auf den Rücksitzen diverser Autos erzählte, und lud mich spontan zu sich nach Hause auf einen Kaffee ein. Sie lebte mit zwei Mitbewohnern in einer WG im Süden von München, und wir machten aus, dass ich sie bald mal besuchen kam.
    Die Wohnung von Signor Colluti lag in Neuhausen, ganz in der Nähe des Nymphenburger Schlosses, einer eher gehobenen Wohngegend mit zum Teil parkähnlichen Gärten, wie Beate mir erklärte. Nun denn, ich war gespannt.
    Kurz bevor wir in den Kopfbahnhof von München einfuhren, meldete mein Handy eine eingehende SMS. Ich riss mich von dem Anblick der hohen Bürogebäude rechts und links der Bahnlinie los und holte mein Telefon hervor, um neugierig auf das Display zu blicken. Na klar: Valeria, wer sonst? »Hals- und Beinbruch im Polizeistaat Bayern. Lass dich ja
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