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Risotto Mit Otto

Titel: Risotto Mit Otto
Autoren: Angela Troni
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um Jungs oder meine berufliche Zukunft ging, verstand der capofamiglia in seiner Rolle als Familienoberhaupt leider keinen Spaß, und ich litt sehr darunter, dass meine Freundinnen, vor allem Vale, so viel mehr durften als ich.
    Apropos dürfen: Nach München würde mein Vater mich sowieso nicht lassen, da er dort niemanden kannte, dem er die Oberaufsicht über mich übertragen konnte. Damit war mein Traum vom Auslandsaufenthalt gestorben, bevor er überhaupt richtig angefangen hatte. Ich war drauf und dran, mich meinem Frust hinzugeben und in einem See, ach, in einem Ozean aus Selbstmitleid zu versinken, da warf ich einen Blick auf meine Armbanduhr.
    Erschrocken sprang ich auf und verschob den Weltuntergang auf später. Oje, schon halb eins, ich musste endlich anfangen aufzuräumen. Um fünf wollten meine Eltern mit den Zwillingen vom Wochenendbesuch bei Tante Giusi und Onkel Maurizio aus Cesena zurückkommen. Ich hatte es nach langem Hin und Her geschafft, ihnen einzureden, dass ich für meinen Geburtstag die Wohnung für mich bräuchte, um eine anständige Party zu schmeißen. Da wären die Zwillinge, meine zwar süßen, aber oft nervigen, da sich ständig in den Haaren liegenden vierzehnjährigen Schwestern so fehl am Platz gewesen wie ein Metzger auf dem Jahrestreffen des Vegetarierverbandes.
    Ich ließ Wasser in die Spüle einlaufen und fing an, die Essensreste, Kippen und Servietten in den großen silbernen Mülleimer zu werfen. Die Party war ein voller Erfolg gewesen, wir hatten die halbe Nacht durchgetanzt, und meine selbstkreierten Gin-Cocktails waren der Renner gewesen. Wir hatten sogar in der kleinen Bar um die Ecke noch Nachschub holen müssen, so gut war der Drink angekommen. Die letzten Gäste waren erst im Morgengrauen gegangen, und von dem vielen Alkohol und dem Schlafmangel brummte mir gewaltig der Schädel. Was soll’s, man lebt nur einmal, dachte ich und stellte mit Schwung die Teller ins Spülwasser, so dass einer prompt auseinanderbrach. Seinen Aufgaben muss man sich stellen. Ich würde es schon schaffen, auch ohne Daniela oder zia Elena, wie ich die Cousine meines Vaters nannte, obwohl sie gar nicht meine Tante war.
    Nachdem ich die Scherben aus dem Spülwasser gefischt und so entsorgt hatte, dass mamma sie nicht entdecken würde, ging ich in mein Zimmer, um meine Lieblings-CD zu holen. Genussvoll schob ich sie in die Stereoanlage im Wohnzimmer, wählte Song Nummer vier und drehte den Lautstärkeregler voll auf. Als die ersten Takte von Vasco Rossis »Vado al Massimo« ertönten, ging es mir gleich besser. Der Song, mit dem mein Lieblingssänger das Festival di San Remo gewonnen hatte, den bedeutendsten Musikpreis Italiens, stammte aus dem Jahr 1982, als ich noch lange nicht geboren war, und sein Titel war mein Lebensmotto: Ich geb Vollgas.
    Okay, ihr Bayern, zieht eure Lederhosen an und macht euch auf eine gehörige Portion italienisches Temperament gefasst, dachte ich und stürzte mich in die Arbeit.

1.
    »Vita spericolata«
    » Babbo, kannst du nicht schneller fahren? Ich verpasse noch meinen Zug!«
    Nervös starrte ich von der Rückbank unseres uralten, bis unters Dach vollgepackten dunkelgrünen Fiat Punto durch die Windschutzscheibe auf den dichten Verkehr, während meine Stimme kurz davor war, sich zu überschlagen. Wieso war hier denn um die Uhrzeit noch so viel los? Wollten die etwa alle – wie wir – die sieben Euro und zehn Cent für die Autobahn sparen und hatten die Bundesstraße genommen? Wir hatten Mitte September, es war weder Urlaubsverkehr oder Wochenende noch stand irgendein Großereignis an, das gerechtfertigt hätte, dass auf der Statale Adriatica von Riccione nach Bologna alle im zweiten Gang dahinzuckelten.
    Ich warf einen Blick auf die Uhr meines Handys und stöhnte, denn wir waren gerade mal knapp hinter Cesena und hatten noch mehr als die Hälfte der hundertfünfundzwanzig Kilometer bis Bologna vor uns. Normalerweise war die Strecke in eineinviertel Stunden locker zu schaffen – selbst wenn mein Vater am Steuer saß, der sich, ganz unitalienisch, an jede noch so absurde Geschwindigkeitsbegrenzung hielt.
    »Kurz vor zehn! Das schaffen wir nie! Porca  …« Ich sah förmlich vor mir, wie wir um 23.05 Uhr und siebzehn Sekunden zu fünft, so schnell es uns mein Marschgepäck erlaubte, auf den Bahnsteig stürmten und dem Nachtzug aus Roma Termini in Richtung München-Hauptbahnhof hinterherhechelten. Ohne ihn zu erreichen, versteht sich.
    »Entspann dich , figliola
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