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Risotto Mit Otto

Titel: Risotto Mit Otto
Autoren: Angela Troni
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Valeria und mich trennte nicht nur dieses eine Detail, dafür einte uns umso mehr, zum Beispiel unsere Abneigung gegen München. Seit meine Freundin dort zum Schüleraustausch gewesen war, verachtete sie diese Stadt, in der sie mehr als ein unschönes Erlebnis hatte erdulden müssen. Ich durfte gar nicht daran denken, da wurde mir schon wieder ganz schlecht. Das konnte unmöglich allein der Kater sein, den ich von gestern hatte.
    »Ja«, erwiderte ich leicht verschnupft, »Viertel vor zwölf, aber das hier ist ein Notfall!« Ich sprang vom Küchenstuhl auf und fing an, im Stechschritt durch die Wohnung zu laufen.
    »Und deshalb rufst du mich mitten in der Nacht an?«
    »Ein Not-fall«, wiederholte ich dramatisch und überlegte, ob ich einfach auflegen sollte. Tatkräftige Unterstützung war von Vale heute offensichtlich nicht zu erwarten.
    »Was ist? Sind deine Eltern doch früher zurückgekommen?«, fragte sie und gähnte laut.
    »Nein, schlimmer.«
    »Du hast dir einen Fingernagel abgebrochen?«
    Der dämliche Witz brachte meinen Puls zum Rasen. Ich setzte mich wieder auf den Stuhl, konzentrierte mich, um mein Reptiliengehirn zu aktivieren, atmete brav meine Wut weg und sagte erst mal nichts.
    »Bist du noch da?«, drang es leise durch den Hörer, gefolgt von einem weiteren Gähnen.
    »Nein!«, blaffte ich und legte tatsächlich auf, bevor ich heulend am Küchentisch zusammenbrach.
    Sofort klingelte mein Telefon Sturm, doch ich ging nicht ran. Sollte Vale ruhig in ihrem schlechten Gewissen schmoren, das hatte sie nun davon. Nur leider war mir damit auch nicht geholfen. Buddhistisch versuchte ich, mein Schicksal anzunehmen, was mir nicht so recht gelingen wollte, und tröstete mich mit dem Gedanken, dass Buddha sicher auch mal klein angefangen hatte.
    Letztlich blieb mir nichts anderes übrig, als in dieses München zu gehen, schließlich wollte ich unbedingt nach Germania, da ich für mein Studium als Italienisch- und Deutschlehrerin für die scuola superiore nichts Besseres tun konnte, als zwei Semester in dem Land zu verbringen, dessen Sprache ich meinen Schülern vermitteln wollte. Und weitere zwölf Monate zu verlieren, um mich dann nächstes Jahr doch wie alle anderen für das Erasmus-Programm zu bewerben, das sah ich auch nicht ein. Angesichts der Tatsache, dass man in Italien unzählige concorsi absolvieren muss, um über einen dieser Wettbewerbe in den Schuldienst eintreten zu können, und man sich oft jahrelang von einer befristeten Stelle zur nächsten hangeln darf, wollte ich so schnell wie möglich meinen Abschluss machen. Sonst konnte es passieren, dass ich kurz vor der Rente stand, bis ich endlich mal einen festen Job bekam. Auf babbos Vitamin B konnte ich mich jedenfalls nicht verlassen, das hatte die Aktion mit der Fondazione Francesco D’Assisi mal wieder deutlich gezeigt.
    Je länger ich dasaß, desto mehr wandelte sich meine Wut auf Vale in Wut auf meinen Vater. Wieso musste er immer alles bestimmen? Er behandelte mich nach wie vor wie ein Kleinkind, das nicht bis drei zählen konnte. Ständig hieß es: »Wir wollen nur das Beste für dich«, aber hatte mich mal jemand gefragt, ob das auch tatsächlich gut für mich war? Mehr als einmal war ich ein bisschen neidisch auf meine beste Freundin gewesen, die allein mit ihrer Mutter lebte und entsprechend viele Freiheiten hatte. Vales Vater hatte sich schon vor Jahren mit einer französischen Touristin aus dem Staub gemacht, und ihre mamma arbeitete in der Fabrik, um den Lebensunterhalt für die beiden zu verdienen. Wegen der ständig wechselnden Schichten war sie so gut wie nie zu Hause, und entsprechend selbständig lebte meine Freundin.
    Meine beiden jüngeren Schwestern und ich dagegen wuchsen behüteter auf als die bestbewachten Prinzessinnen, und sobald sich mir ein junger Mann auf Freiersfüßen auch nur von fern zu nähern wagte, alarmierte meine Mutter die Burgwache, die in Person meines Vaters zeigefingerschwingend und mit drakonischen Strafen drohend ihres Amtes waltete. Wenn es nicht um Jungs ging, war mein babbo jedoch der beste babbo der ganzen Welt, denn er konnte mir so gut wie keinen Wunsch abschlagen, und im Laufe der Jahre hatte ich ganz genau gelernt, mit welcher Strategie ich ihn am ehesten um den Finger wickeln konnte. Eigentlich konnte ich alles von ihm haben, wenn ich ihm nur genügend schmeichelte und Honig um den Bart strich – na ja, fast alles. Denn in einigen wenigen Punkten blieb er nun mal hart. Wenn es ums Ausgehen,
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