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Riskante Liebe

Riskante Liebe

Titel: Riskante Liebe
Autoren: Cara Enders
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weit entfernt vorkamen, sprach ich mir innerlich Mut zu. Die anderen, die auf diese Weise getötet worden waren, hatten allesamt nicht meine Kraft und Ausdauer besessen. Seratta hatte sie vor der Jagd tagelang ohne Nahrung eingesperrt, während ich nur eine Nacht in der Hütte verbringen musste. Zaria hatte mich verbotenerweise mit Wasser und Fleisch gestärkt, zudem war ich eine gute und schnelle Läuferin.
    Ich bekam nicht viel Zeit, um meinen Überlegungen lange nachhängen zu können. Seratta hob ihren Speer. Auf ihr „Los“ hin musste ich um mein Leben laufen und versuchen, meinen kleinen Vorsprung zu halten. Rasch riss ich mir meinen Überwurf vom Leib, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben, als sie das Kommando brüllte und die Jägerinnen mit ihr an der Spitze nach vorne stürmten. Ich rannte ebenfalls los, wurde immer schneller und flog förmlich über die stoppelige, mit nassem Laub bedeckte Wiese. Als der erste Speer knapp neben mir vorbeizischte und auf dem Boden landete, verdoppelte ich mein Tempo und begann unerwarteterweise, Haken zu schlagen wie ein verfolgter Hase. Ich atmete schnell, spürte jedoch, dass meine Kräfte noch nicht verbraucht waren. Mein Ziel, Jolarias Ahornbaum, kam immer näher. Weitere Speere flogen an mir vorüber und landeten im Gras. Ich hörte die erbosten Schreie meiner Verfolgerinnen und wilde Freude stieg in mir auf. Ich würde die Erste sein, die den Wald erreichte! Schon war der dicke Stamm mit der rissigen Rinde zum Greifen nah vor mir, ich streckte die Hand aus, um ihn zu berühren, als ich hinter mir die Zuschauerinnen aufstöhnen hörte. Zu beiden Seiten des Baumes traten zwei Wächterinnen aus dem Unterholz mit auf mich gerichteten Speerspitzen zu. Seratta hatte mich in eine Falle laufen lassen. Ich stoppte in vollem Lauf ab, um nicht von ihnen aufgespießt zu werden und spürte, wie sich etwas Spitzes in meinen Nacken bohrte. Serattas triumphierende Stimme erklang.
    »Du hast verloren, Veeria. Auf die Knie, damit ich deine Strafe vollenden kann.«
Der Druck ihres Speeres verstärkte sich und ich fühlte, wie mir etwas Warmes, Feuchtes den Rücken hinunterlief. Resigniert sank ich zu Boden, rang keuchend nach Atem und neigte den Kopf.
Aller Triumph und die Euphorie über meinen zum Greifen nahen Sieg waren verflogen und hatten einer grenzenlosen Traurigkeit Platz gemacht. Ich kam mir schwach und nutzlos vor, meine Glieder und mein Inneres schienen gefroren zu sein und ich hatte nur einen einzigen Gedanken, als ich wehmütig zu Jolarias Grab hinüberblickte. Lass es rasch passieren. Ich hatte keine Angst vor meinem Tod, nur davor, dass mich Seratta noch lange quälen würde, bevor sie endlich zustieß.

FÜNFZEHN
     
    Schon nach wenigen Tagen hatte sich Drake in seiner Blockhütte , die er für vier Wochen mit einer Option auf weitere zwei Monate gemietet hatte, eingelebt. Anfangs machten ihm die Stille und die Einsamkeit zu schaffen, da er es gewohnt war, immer jemanden um sich herum zu haben, mit dem er sprechen oder andere Dinge tun konnte. Er stellte fest, dass es eine gewisse Disziplin erforderte, um sich – ganz ohne Anregung und Ablenkung von außen – den Tag einzuteilen, fand aber bald zu einer ihm angenehmen Routine. Er erwachte früh, sobald das Tageslicht sein Schlafzimmer erhellte, blieb noch eine Viertelstunde liegen und bereitete sich nach einer heißen Dusche ein kräftiges Frühstück aus Toast, Rühreiern und Speck, manchmal auch Pfannkuchen mit Ahornsirup, zu. Der Vermieter der Hütte hatte sowohl den Kühlschrank als auch die Tiefkühltruhe so gut gefüllt, dass er sich fürs Erste nicht mit Gedanken ans Einkaufen herumschlagen musste.
    Tagsüber streifte er, mit Kompass, Fernglas, und zu seiner eigenen Sicherheit, mit seiner Pistole bewaffnet, durch die ihn umgebende Wildnis. Er stellte fest, dass die körperliche Bewegung, die frische Luft, der Mischwald, der momentan, im Indian Summer, seine herrlichste Seite zeigte, sowie die vielen Tiere, die er zu Gesicht bekam, eine beruhigende, erholsame Wirkung auf ihn ausübten. Er fühlte sich so lebendig, fit und ausgeglichen wie schon lange nicht mehr. Am späten Nachmittag kehrte er zur Hütte zurück und übte Bogenschießen, worin er, was die Trefferquote auf der Zielscheibe anging, immer mehr Fortschritte machte.
    Die Sonne ging jetzt, im Herbst, früh unter und die Dämmerun g, die im Sommer bis spät in die Nacht hinein alles in einen unwirklich blaugrauen Schein tauchte, wich schlagartig einer
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