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Riskante Liebe

Riskante Liebe

Titel: Riskante Liebe
Autoren: Cara Enders
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haukelndem, unbeholfen wirkendem Gang zwischen den Bäumen davon. Er beschloss, ihr zu folgen, ließ dem Tier aber einigen Vorsprung. Wenig später lichteten sich die Baumstämme und Drake stand vor einem in der Sonne leuchtendgrün schimmernden See, in dessen Wasser sich die Farbenpracht der umstehenden Bäume spiegelte. Die Elchkuh steuerte geradewegs den Rand des Wassers an und verschwand platschend im See. Behände und mit sehr viel schnelleren Bewegungen als an Land schwamm sie hinüber zum anderen Seeufer, erklomm dort die steinige, hohe Böschung und war unmittelbar darauf im Unterholz verschwunden. Er blickte dem Tier geistesabwesend nach, als ihm plötzlich die Felsformation auf der anderen Seite ins Auge fiel. Die Steine hatten auf den ersten Blick die Umrisse einer am Wasser knienden Frau. Der Fels, der den Kopf bildete, war oben abgeflacht. Wieder stiegen Bilder in ihm auf: Veeria und er beim Schwimmen in einem ähnlichen See. Dann vernahm er ihr plötzlich ihre Stimme, als ob sie direkt neben ihm stehen würde: «Die Steine, auf denen wir sitzen, sehen von der anderen Seite aus wie eine Frau, die kniet  … und da drüben ist noch etwas, was diesen See zu etwas Besonderem macht: …«
    Drake riss ruckartig seinen Kopf herum und blickte sich um. Aber hinter ihm wuchs keine Eiche mit dickem, ineinander verschlungenem Stamm in den Himmel. An der fraglichen Stelle befand sich ein etwa mannshohes Bäumchen mit gelb verfärbtem Laub, de ssen Äste aus einem dünnen Stämmchen herauswuchsen. Er blickte genauer hin und da überlief es ihn eiskalt. Das war nicht ein schmaler Stamm, sondern zwei sehr dünne, die sich unmittelbar über dem Waldboden teilten und dann wie zwei ineinander gewickelte Schlangen nach oben wuchsen. Und das Laub besaß die typisch länglich gezackte Form von Eichenblättern.
    Seine Gedanken rasten wild durcheinander. Das hier war der See, an dem er mit Veeria, allerdings von der anderen Seite herkommend, gebadet hatte! Aber warum war dieser Baum so mickrig? Wie rasch wuchsen Eichen?
    Lange Zeit saß er am Seeufer und grübelte. Immer noch ganz in Gedanken versunken legte er dann den langen Weg zur Hütte zurück. Dort angekommen eilte er, ohne sich umzuziehen, ins Wohnzimmer und kramte den Bildband, den er in Nelson gekauft hatte, heraus, blätterte wie wild, bis er das Foto einer ähnlich großen Eiche wie der aus seinem Traum fand, die, wie er dem nebenstehenden Text entnahm, in einem kanadischen Nationalpark stand. Und wieder wurde ihm zuerst siedend heiß, dann kalt, als er las, dass Eichen mehrere hundert Jahre alt werden konnten und sehr langsam wuchsen.
    Die unmöglich e und dennoch einzig logische Schlussfolgerung, die er daraus zog, war die, dass er nicht geträumt hatte, sondern in die Zukunft gereist war. Und dass Veeria wie auch ihr seltsames Dorf hier, in dieser Gegend, allerdings viele Jahre später, tatsächlich existierten. Er hatte ihre Erklärungen, von wegen sie seien die einzigen Überlebenden und die Geschichte von den Verseuchungen auf der restlichen Welt, für die Lügen einer Sekte gehalten, die ihre Mitglieder damit von der Zivilisation fernhalten wollte.
    Je mehr er darüber nachdachte, desto plausibler erschien ihm die Erklärung von einer Zeitreise. Dazu passte auch, dass er während seiner Abwesenheit nicht vermisst worden war und seine Narbe am Bein ebenfalls nicht existierte. Denn er war in eine Zeit gereist, die es im Jahr 2013 noch nicht gegeben hatte. Zu der abgefahrenen Erkenntnis, mittels eines Hubschraubers und eines Wirbelsturms tatsächlich in die Zukunft gereist zu sein, gesellte sich die Ironie darüber, dass die Zukunft der Menschheit fatal dem Leben in der Steinzeit ähneln würde, weil der Mensch in seinem Größenwahn die gesamte Erde beinahe völlig vernichten würde und somit wieder bei Null anfing. Und dies erneut mittels Unterdrückung und Grausamkeit …
    Aber all diese welterschütternden Schlussfolgerungen, zu denen er angesichts der Entdeckung des Sees und der Eiche gelangt war, bedeuteten ihm nichts im Gegensatz zu der, dass er sich nichts eingebildet hatte und Veeria tatsächlich existierte. Er korrigierte sich: Nein, existieren würde. Ihm war klarer denn je, dass er diese Geschichte niemandem erzählen konnte, ohne dass sie ihn als verrückt gewordenen Einsiedler von Männern in weißen Kitteln abholen lassen und wegsperren würden. Sie würden ihn in einen Topf mit denjenigen werfen, die behaupteten, zu Außerirdischen Kontakt zu
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