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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
Autoren: Patricia Highsmith
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festhält). Die Harmonie in dieser überraschenden Partnerschaft könnte sich nicht treffender ausdrücken als darin, daß nun auch Tom für die wartende Ehefrau ein Kleidungsstück als Geschenk wählt, eine grüne Lederjacke, die zweifellos gut zu Jonathans neuem Mantel passen würde. Im Stil und der Farbe der Kleidung wird offenbar, wie nahe sich Tom und Jonathan gekommen sind.
    In Ripley’s Game ist nichts an den Kleinigkeiten der Garderobe zufällig, schon gar nicht, wenn es um das Männerbündnis geht, das Ehebündnisse suspendiert oder zerstört. Als Tom und Jonathan sich in einer Bar treffen, [397]  bemerkt Tom an der alten Cordjacke seines Freundes eine Rißstelle, die von Simone offenbar ausgebessert wurde. Nicht von ungefähr dreht sich das Gespräch der beiden um die Frage, wie Jonathan das Vertrauen seiner Frau, das durch allerlei Ausreden und Heimlichtuerei erschüttert wurde, zurückgewinnen kann. Auf der kleidersymbolischen Ebene erzählt der Roman jedoch, daß diese Versuche vergeblich sein werden. Jonathan ist längst Teil von Toms moralisch relativer Welt geworden. Nicht die geflickten Cordjacken passen zu ihm, sondern die feinen Pyjamas, die Tom ihm in seinem Haus bald darauf aufnötigt, zusammen mit einer neuen Zahnbürste und einem weichen Bett. Und als Jonathan sich krank und schwach fühlt, schlägt Tom sogar vor, er (Jonathan) könne auf dem Weg ins Krankenhaus ruhig seinen (Toms) Überzieher benutzen; ein weiterer Mantel, der die schwache Identität Jonathans mit einer fremdbestimmten Hülle versieht.
    Das wird bis zum Ende des Buches das metaphorische Muster bleiben: Simone repariert notdürftig alte Kleider, deren Ärmlichkeit unablässig betont wird – und Tom stattet den seiner Ehe entgleitenden Jonathan mit neuen Sachen aus, nicht nur mit einem Pyjama, über dessen Anblick Simone entgeistert ist, sondern auch mit dem Hut eines getöteten Mafioso. Hier, im dreiundzwanzigsten Kapitel, das den shootout des klassischen Gangsterdramas mit einer Andeutung von Verkleidungskomödie kombiniert, erleidet Jonathan mit einer gewissen Folgerichtigkeit dasselbe Schicksal wie des Hutes vormaliger Träger. Dabei hatten er und Tom bei ihrem gemeinsamen Kampf gegen die Italiener so gewirkt, »als hätten die beiden es [398]  einstudiert«, also wie Schauspieler auf der Bühne. Alles vergeblich. Tom kann dem toten Freund nur noch ein ehrenvolles Andenken bewahren. Als er dem gefährdeten Reeves, der nun untertauchen muß, am Schluß einen kleinen Koffer mit Garderobe aus seinem Kleiderschrank zusammenstellt (Hemd, Pullover, Socken, Unterwäsche, dazu einen Regenmantel), legt er lieber seine eigene Zahnbürste dazu, statt die nur einmal benutzte Zahnbürste des erschossenen Jonathan zu nehmen. Einen diskreteren Akt der Pietät könnte es in der Dingsprache des Romans nicht geben, und zweifellos tragen anrührende Gesten wie diese zum positiven Bild des Mörders Tom Ripley bei.
    Daß es Patricia Highsmith um eine Zweier-Geschichte ging, schrieb sie am 23.   Januar 1972 unmißverständlich in ihr Notizbuch: »Der Hauptteil des Buches ist die Beziehung zwischen Ripley & dem Mann.« Zu diesem Zeitpunkt hat sie über »den Mann« schon seit knapp drei Monaten nachgedacht und mehrere Seiten des Notizbuches mit lose verknüpften »Keimen« gefüllt, wie sie die Ideenskizzen seit ihrer Jugend auf deutsch überschreibt. Abermals drei Monate zuvor, im Juli 1971, hat sie einen interessanten Einfall notiert: Der Held (die Heldin) habe Kopfschmerzen, vielleicht gar einen Tumor, und begegne kurz darauf einem Fremden, der als personifizierter Tod erscheine. In einer weiteren Notiz auf derselben Seite, deren Datierung vermutlich falsch ist, verbindet Patricia Highsmith diesen Einfall mit dem »dritten Ripley«, den sie am selben Tag begonnen habe. Dadurch konkretisieren sich zugleich der Einfall und der neue Ripley-Band. Das Fundament der Handlung besteht darin, daß ein Mann mit der Vorstellung seines [399]  nahenden Todes konfrontiert wird und sein Verhalten entsprechend ändert – er kann jetzt anders über Tod und Leben nachdenken als zuvor.
    Notizbuch Nummer 32 überliefert den Entstehungsprozeß des Romans Ripley’s Game eher lückenhaft, und wie in anderen Fällen läßt sich nicht entscheiden, ob die Überlegungen zu diesem Buch zeitweise ruhten oder ob sie sich so leicht und zwangsläufig ergaben, daß schriftliche Fixierung überflüssig war. Die erste zusammenhängende Aufzeichnungsstrecke reicht vom
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