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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water
Autoren: Patricia Highsmith
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konnten. Würde er ihnen auffallen? Und: Würden sie die Straße vor Belle Ombre abfahren und den abzweigenden Waldweg erkunden, sobald sie sicher sein konnten, er werde für eine Weile nicht da sein? Oder machte er sich zu viele, ganz unsinnige Sorgen? Im Laufschritt nahm Tom die letzten Meter bis zu den goldgetönten Schaufenstern von Mon Luxe. Bevor er durch die offene Tür trat, blieb er stehen und blickte sich um, um zu sehen, ob ihm das Paar nachstarrte oder gar in das Reisebüro ging. Ihn würde nichts mehr überraschen, sagte er sich. Tom sah Pritchards breite Schultern in dem blauen Blazer knapp aus der Menge herausragen, sah seinen Hinterkopf. Offenbar gingen die beiden weiter geradeaus.
    Tom trat in die parfümgeschwängerte Luft von Mon Luxe, wo Héloïse gerade mit einer Bekannten sprach. Ihr Name war ihm entfallen.
    » ’allô, Tomme! Françoise – tu te rappelles? Eine Freundin der Berthelins.«
    Tom erinnerte sich nicht, tat aber so als ob. Es war nicht wichtig.
    Héloïse hatte ihren Einkauf erledigt. Sie sagten Françoise au revoir; die junge Frau studiere in Paris und kenne auch die Grais’, erklärte Héloïse, als sie draußen waren. Antoine und Agnès Grais waren alte Freunde und Nachbarn, die im Norden von Villeperce wohnten.
    »Du siehst besorgt aus, mon cher «, bemerkte Héloïse. »Hast du die Tickets? Alles in Ordnung?«
    »Glaube schon. Das Hotel hat die Zimmer bestätigt.« Tom klopfte auf seine linke Jackettasche, aus der die Flugscheine hervorschauten. »Essen wir im Aigle Noir?«
    »Ah – mais oui!« Sie klang erfreut. »Sicherlich.«
    So hatten sie es geplant. Tom liebte ihren Akzent, wenn sie »sicherlich« sagte, weswegen er sie auch gar nicht mehr daran erinnerte, daß »sicher« richtiger wäre.
    Sie aßen auf der sonnenbeschienenen Terrasse zu Mittag. Die Kellner und der Oberkellner kannten sie, wußten, daß Héloïse Blanc de Blanc mochte, Seezungenfilet, Sonnenschein und Salat, wahrscheinlich Endivien. Sie sprachen von angenehmen Dingen: dem Sommer, marokkanischen Lederhandtaschen, vielleicht ein Krug aus Bronze oder Kupfer. Warum nicht? Ein Kamelritt? Tom wurde schwindelig. Das hatte er schon einmal erlebt, oder war es im Zoo gewesen, auf einem Elefanten? Plötzlich meterhoch über dem Boden zu schwanken (auf dem er landen würde, falls er das Gleichgewicht verlöre) war nicht nach seinem Geschmack. Frauen liebten das. Aus Masochismus? Oder ob das alles zusammenhing und einen Sinn ergab: Kinder gebären, Schmerzen stoisch ertragen? Tom biß sich auf die Unterlippe.
    »Du bist nerveux, Tomme. «
    »Gar nicht«, widersprach er entrüstet.
    Und gab sich bis zum Ende des Essens gelassen, wie auch während der Heimfahrt.
    In etwa zwei Wochen sollten sie nach Tanger fliegen. Ein junger Mann namens Pascal, ein Freund von Henri, dem Aushilfsgärtner, würde sie zum Flughafen begleiten und den Wagen nach Villeperce zurückfahren. Pascal hatte das schon öfter getan.
    Tom ging mit einem Spaten in den Garten, jätete aber auch mit der Hand. Er hatte Levis angezogen und die wasserdichten Lederstiefel, die er so gerne trug. Das Unkraut warf er in einen Plastiksack, für den Kompost. Kurz darauf war er gerade beim Auszupfen welker Blüten, als ihn Madame Annette von der Flügeltür der Terrasse rief.
    »Monsieur Tomme? Téléphone, s’il vous plaît!«
    »Merci.« Unterwegs ließ er die Backen der Heckenschere zuschnappen und legte die Schere auf die Terrasse. Er hob unten in der Diele ab. »Hallo?«
    »Hallo, ich bin… Ist dort Tom?« Ein junger Mann, der Stimme nach.
    »Ja.«
    »Ich rufe aus Washington an.« Dann ein störendes Pfeifen, uuuii-uuuii, wie unter Wasser. »Ich bin…«
    »Wer ist da?« Tom konnte nichts verstehen. »Bleiben Sie dran, ja? Ich gehe an den anderen Apparat.«
    Madame Annette war mit dem Staubsauger in der Eßecke des Wohnzimmers zugange, weit genug weg für ein normales Telefongespräch. Doch nicht für dieses.
    Tom hob oben auf seinem Zimmer ab.
    »Hallo, da bin ich wieder.«
    »Hier ist Dickie Greenleaf«, sagte der Mann mit der jungen Stimme. »Du kennst mich noch?« Leises Lachen.
    Tom wollte spontan auflegen, zögerte kurz, sagte dann aber: »Natürlich. Und wo sind Sie?«
    »In Washington, wie ich schon sagte.« Jetzt kippte die Stimme fast ins Falsett.
    Übertrieben, seine Verstellung, dachte Tom. Oder war es eine Frau?
    »Interessant. Eine Stadtbesichtigung?«
    »Na ja, nach meinen Erfahrungen unter Wasser – du weißt schon – bin ich wohl
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