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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water
Autoren: Patricia Highsmith
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Aufschluß darüber, was sich Patricia Highsmith bei dem subtilen Trick im letzten Teil des Romans gedacht hat. Er besteht darin, Toms drohende Geistesstörung Seite um Seite auf seinen Widersacher abzuwälzen. Die knappen Aufzeichnungen zwischen dem 12.   September 1988 und dem 27.   April 1989, also vor Schreibbeginn, bestehen meistenteils aus Handlungsskizzen, die im Fortgang des Romans verworfen werden. Aus vier Zeilen, notiert am 26.   März 1989, läßt sich allerdings schließen, daß die Schriftstellerin es nicht für nötig befand, Tom in den Wahnsinn zu treiben. Es reichte ihr, ihn bis dicht an den »Abgrund der Existenz« zu führen. Was als boshaftes Spiel auf seine Kosten begann – die verhüllten Drohungen, das Beschatten, die Suche nach Murchisons Leiche –, wendet sich am Ende gegen den Urheber.
    Daß Pritchard und seine Frau sich selbst zerstören – sich zerstören müssen  –, legt aber auch Ripleys Schwäche bloß. Denn der mehrfache Mörder wäre vielleicht gar nicht mehr imstande, einen Mord zu begehen. Einmal klopft Ed Banbury ihm auf die Schulter, die erste körperliche Berührung des alten Kumpanen, die über das Händeschütteln hinausgeht. Daß Tom sie wahrnimmt, zeigt, wie dringend er sie braucht. Später wird es noch schlimmer. Wie nie zuvor wird der Hausherr von Belle Ombre mit teilnahmsvollen Worten bedacht. Madame Annette hält ihn für etwas mélancolique. Auch seine Nachbarin Agnès Grais findet ihn »ein bißchen traurig«. Tom macht sich Sorgen, allein dadurch fühlt er sich schwächer. Wenn schon seine Nachbarin und seine Haushälterin glauben, ihn aufmuntern zu müssen, dann besteht wahrlich Grund zur Besorgnis.
    So fällt am Ende nicht nur die Leichtigkeit, sondern auch fast jede Frivolität von Ripley ab. Damit schrumpft der Abstand, den er bisher zu Héloïse gewahrt hat. Benutzte Tom in früheren Bänden die Strategie, die hübsche, verwöhnte Ehefrau auf Reisen zu schicken, um das Haus für sich allein zu haben und seine dubiosen Freunde darin unterzubringen, fährt er in Ripley Under Water zum erstenmal mit ihr. Daß er den Besuch in Marokko abkürzen und allein nach Hause zurückkehren muß, scheint zwar dem alten Muster zu gehorchen. Aber wie verliebt und verdattert Tom die endlich zurückgekehrte Héloïse anstarrt, die so dicht neben ihm sitzt, daß er die Sonne auf ihrer jungen Haut zu riechen meint, diese Beschreibung läßt keinen Zweifel daran, daß sich hier ein Schiffbrüchiger an seinen Rettungsring klammert. Von nun an gehört das Bild der Schwäche zu ihm. Es macht Tom weicher, angreifbarer und glaubwürdiger – ganz unabhängig davon, wie er in der Phantasie der Leser weiterlebt. Ripley Under Water ist der Schlußpunkt. Nach diesem Buch muß man den Lieblingshelden von Patricia Highsmith zu den gefährdeten Menschen zählen.
    Paul Ingendaay

Editorische Notiz
    Sechs Jahre nach Erscheinen ihres vierten Ripley-Romans, Der Junge, der Ripley folgte, vermerkt die Autorin am 26.   Dezember 1986 in Notizbuch 36 eine erste »mögliche Ripley-Idee«. Erst zweieinhalb Jahre später, am 28.   Mai 1989, beginnt sie unter variierenden Arbeitstiteln (›Ripley & the Voices from the Dead‹, ›Ripley Touches Madness‹, ›Ripley and the Odd Pair‹ und ›Ripley Under Water‹) mit der Niederschrift des Romans, dessen (im Schweizerischen Literaturarchiv/ SLA erhaltene) dreihundertzwanzig Seiten lange erste Fassung genau zwölf Monate später, am 27.   Mai 1990, vorliegt. Am 5.   Oktober desselben Jahres ist die (ebenfalls im SLA erhaltene) Reinschrift versandfertig, am 19.   Februar gehen letzte Korrekturen an ihren französischen Verleger nach Paris und an ihren englischen Verleger nach London.
    Im September 1991 erscheint die englische Originalausgabe bei Bloomsbury, London, unter dem Titel Ripley Under Water; die amerikanische Erstausgabe folgt ein Jahr später, im September 1992, bei Alfred A. Knopf, New York.
    Zeitgleich mit der englischen Originalausgabe veröffentlicht der Diogenes Verlag, Zürich, im September 1991 unter dem Originaltitel die deutsche Erstausgabe in der Übersetzung von Otto Bayer; die Taschenbuchausgabe folgt 1993 (detebe 22   603).
    Die von Matthias Jendis vorgelegte Neuübersetzung beruht auf dem Text der englischen Originalausgabe unter Berücksichtigung einiger Korrekturen der amerikanischen Erstausgabe.
    Anna von Planta

Foto: © Simone Sassen
     
    PATRICIA HIGHSMITH wurde 1921 in Fort Worth/Texas geboren. Sie wuchs in Texas
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