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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water
Autoren: Patricia Highsmith
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gelesen, aber er ist immer neu und beruhigend [always new and reassuring]. « Bereits ein Jahr zuvor hat die Schriftstellerin ihrer New Yorker Freundin Kate Kingsley Skattebol in einem Brief dafür gedankt, daß sie Menningers seit langem vergriffene Studie The Human Mind für sie aufgetrieben habe. »Es ist ein faszinierendes Buch«, schreibt sie der Freundin am 16.   Oktober 1988, »und für das, was ich als nächstes schreiben will, könnte ich es gebrauchen.« Dieses antiquarische Exemplar, das sie mit zahlreichen Unterstreichungen und Randkommentaren versah, wurde in den letzten Lebensjahren zu ihrer bevorzugten Bettlektüre.
    In seinem berühmt gewordenen Essay aus dem Jahr 1975 verwendet Peter Handke die Formulierung, bei Patricia Highsmith habe er das Gefühl, »im Schutz einer großen Schriftstellerin zu sein«. Er meint damit etwas, das er vor allem gegen Ende ihrer Bücher empfindet, kurz vor der unausweichlichen Katastrophe, die den Helden in den Abgrund reißt: »Es war, nach so viel Zeit, die man mit so viel faktischen Sätzen aus der eigenen Umwelt zugebracht hatte, die Gewißheit, daß jemand schreibend aufpaßt, wie er lebt. « Peter Handke entdeckt neben der Kriminalhandlung oder den Elementen des Suspense eine Schreibhaltung, die auf Einfühlung, Genauigkeit und Sorge schließen läßt.
    Wenn dieses Merkmal des Prosastils von Patricia Highsmith auf irgendeine Figur ihres Werks übergesprungen ist, dann auf den Ripley des fünften und letzten Romans, einen Helden, der trotz gestiegener Sicherheit – seine Morde liegen Jahre zurück – und der unablässig beschworenen Kontinuitäten nicht mehr derselbe ist. Auch er muß beim Arrangieren der Blumen, beim Sichten der Post und der ersten Tasse Kaffee an einem Morgen auf dem Lande aufpassen, wie er lebt. Zwar ist seine Sorgfalt bei der Kleiderwahl so tadellos wie stets, und der Leser wird mit ungezählten Details des wohlorganisierten Ripley-Haushalts gefüttert, von den hochwertigen Utensilien des Hobbyzeichners bis zu den Elchleder-Slippern, die der Hausherr in der Freizeit trägt. Aber seine Garderobengewohnheiten verraten Ripleys frenetischen Kontrollwahn, den verzweifelten Willen, eine Normalität zu demonstrieren, die es in Belle Ombre nicht mehr gibt. Pikanterweise ist es gerade sein kostbarer Ledermantel mit Pelzbesatz, dessen Anblick den wildfremden Pritchard so sehr provoziert, daß dieser beschließt, den Träger des ausgefallenen Kleidungsstücks zu quälen. Die Reaktion kommt uns bekannt vor. In Ripley’s Game (1974), dem dritten Roman der Serie, sorgt nicht zuletzt ein pflaumenfarbenes Satinjackett dafür, daß Tom in der Ehefrau seines Opfers Jonathan Trevanny tiefes – und begründetes – Mißtrauen weckt.
    Kleidung hat dem Mörder und Parvenü von Anfang an als Instrument des Machtgewinns gedient. Mit Hilfe von Dickie Greenleafs Garderobe schlüpfte er in die Rolle eines Toten und schuf sich eine neue Existenz. Später spielte er mit einer alten Jacke, ausgebeulten Hosen und einem falschen Bart den längst gestorbenen Maler Derwatt, um sich und seinen Freunden von der Buckmaster Gallery eine illegale Geldquelle zu sichern. Es ist, als wollte Ripley das venezianisch Karnevaleske, das den Beginn seiner Laufbahn kennzeichnet, in die Unendlichkeit verlängern. Auch in der Spätphase seiner Karriere sind es Textilien, die über seinen Seelenzustand Auskunft geben. In Tanger kauft er sich eine Dschellaba und einen Strohhut, um seinen Verfolger Pritchard in die Irre zu führen, doch anders als bei früheren Gelegenheiten schreckt Ripley vor dem Mord an seinem Gegner zurück. Aus dem daraus entstehenden Schlamassel kann er sich nur noch mit Hilfe seiner Freunde befreien. Wie wir es von ihm gewohnt sind, bekräftigt er den Bund unter Männern mit den passenden Kleidern. Für Ed Banbury und sich selbst kauft er in London edle Morgenmäntel, das richtige Geschenk angesichts der Kampfgemeinschaft, die Ripley, Banbury und Jeff Constant gegen die Pritchard-Bedrohung geschmiedet haben: Wenn es ernst wird, sind die drei Freunde bereit, nicht nur ihre Sorgen, sondern auch ihre Badezimmer zu teilen.
    Als wollte Patricia Highsmith nichts auslassen, gilt die letzte Szene des Romans dem verräterischen Ring des ermordeten Murchison, den Tom in einem schwarzen Wollstrumpf versteckt hält. Warum ein schwarzer Wollstrumpf? Weil Ripley Under Water das Finale eines langen, anstrengenden Wettkampfs ist, der 1955 im Talentierten Mr.   Ripley mit zwölf Paar
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