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Ripley Under Ground

Ripley Under Ground

Titel: Ripley Under Ground
Autoren: Patricia Highsmith
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gemacht hat. Er ist nur gerade mitten in einem Depressions-Tief, und wir wollen ihn auch bei der Eröffnung nicht dabeihaben – gerade dann nicht. Bitte komm doch sofort, wenn Du irgend kannst!
    Herzlichst Jeff PS: Murchisons Brief klang ganz höflich, aber wenn er nun so ein Typ ist, der darauf besteht, Derwatt in Mexiko aufzusuchen, um sich die Sache bestätigen zu lassen?
    Diese Sorge war nicht unbegründet, dachte Tom, denn Derwatt existierte gar nicht. Nach der (von Tom erfundenen) Geschichte, die von der Galerie Buckmaster und von Derwatts treuer kleiner Freundesschar weiterverbreitet worden war, hatte sich Derwatt in einem winzigen mexikanischen Dorf niedergelassen, wo er keine Besucher empfing, kein Telefon hatte und niemandem seine Adresse gab. Auch der Galerie hatte er das untersagt. Wenn Murchison tatsächlich nach Mexiko fuhr, hatte er eine lange Suche vor sich; damit konnte ein Mann sein Leben zubringen.
    Tom sah es kommen, daß Murchison – der sicher sein Derwatt-Gemälde mitbrachte – sich zunächst an andere Kunsthändler wenden würde und dann an die Presse. Das konnte Verdacht erregen und die ganze DerwattSache zum Platzen bringen. Ob die Bande ihn da mit hineinziehen würde? (Die Galerie-Leute, Derwatts alte Freunde, waren für Tom in Gedanken immer ›die Bande‹, obgleich er den Ausdruck jedesmal wieder scheußlich fand, wenn er ihm in den Kopf kam.) Und Bernard würde dann vielleicht mal den Namen Tom Ripley fallen lassen: nicht aus Bösartigkeit, sondern aus seiner unseligen, fast christusartigen Ehrlichkeit.
    Tom hatte seinen Namen und seinen Ruf saubergehalten – erstaunlich sauber, wenn man bedachte, wie sein Leben eingerichtet war. Es wäre außerordentlich peinlich, wenn man in französischen Zeitungen läse, daß Thomas Ripley aus Villeperce-sur-Seine, Ehemann von Heloise Plisson, der Tochter von Jacques Plisson, millionenschwerem Inhaber der Pharmazeutischen Werke Plisson, sich den recht lukrativen Schwindel mit Derwatt Ltd. ausgedacht und jahrelang einen Prozentsatz der Einkünfte daraus bezogen hatte, auch wenn es nur zehn Prozent waren. Das wäre eine ziemlich üble Enthüllung. Wahrscheinlich würde auch Heloise darauf reagieren, obgleich bei ihr von Moral und Ethik nicht viel die Rede sein konnte, dachte Tom. Und ganz sicher würde ihr Vater dann Druck auf sie ausüben (indem er ihr den Zuschuß strich), damit sie die Scheidung einreichte.
    Die Firma Derwatt Ltd. war jetzt ein ansehnliches Unternehmen; brach sie zusammen, so würde das weite Kreise ziehen. Auch das gutflorierende Nebengeschäft mit den Malutensilien – alle unter der Marke Derwatt vertrieben – war dann zu Ende, aus dem der Freundeskreis und auch Tom regelmäßige Einkünfte bezogen. Dann gab es noch die Kunstschule Derwatt in Perugia, hauptsächlich besucht von reizenden älteren Damen und Amerikanerinnen auf Europa-Urlaub; auch aus ihr flossen Gelder in Toms und der Freunde Taschen. Der Hauptzweck der Schule war weniger der Kunstunterricht und der Verkauf von Derwatt-Malerbedarf, als vielmehr die Vermittlung von Häusern und möblierten Wohnungen der höchsten Preisklasse an wohlhabende Touristen und Studierende gegen beträchtliche Provision. Die Schule wurde von zwei englischen Damen erster Kreise geleitet, die vom Derwatt-Schwindel keine Ahnung hatten.
    Tom überlegte immer noch, ob er nach London fahren sollte oder nicht. Was konnte er ihnen schon sagen? Und er verstand auch das Problem gar nicht. War es denn nicht denkbar, daß ein Maler bei einem bestimmten Bild zu seiner früheren Technik zurückkehrte?
    Mme. Annette kam herein und fragte: »M´sieur, hätten Sie lieber Lammkotelett oder Schinken zum Essen heute abend?«
    »Ich glaube Lammkotelett, danke schön. Wie geht es denn dem Zahn?« Mme. Annette war morgens beim Zahnarzt im Dorf gewesen, zu dem sie großes Vertrauen hatte. Der Zahn hatte sie die ganze Nacht wachgehalten.
    »Jetzt merke ich gar nichts mehr. Sehr nett, wirklich, der Dr. Grenier. Er sagt, es sei ein Abszeß, aber er hat den Zahn aufgemacht, und der Nerv wird von selber rausfallen, sagt er.«
    Tom nickte. Wie konnte ein Nerv von selbst herausfallen? Wahrscheinlich durch die Schwerkraft. Einmal hatten sie bei ihm lange nach einem Nerv bohren müssen, und noch dazu in einem der oberen Zähne.
    »Hatten Sie gute Nachrichten aus London?« »Nein, ich – das war bloß ein Freund, vorhin.« »Nichts von Mme. Heloise heute?«
»Heute nicht, nein.«
»Ach, die Sonne, denken Sie nur.
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