Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ripley Under Ground

Ripley Under Ground

Titel: Ripley Under Ground
Autoren: Patricia Highsmith
Vom Netzwerk:
England oder auf dem Kontinent oder in Amerika. Ed Banbury schrieb an Tom nach Frankreich und bot ihm zehn Prozent der Gewinne an. Die drei Getreuen – Bernard, Jeff und Ed – waren jetzt die einzigen Nutznießer der DerwattGeschäfte. Tom hatte angenommen: hauptsächlich, weil er fand, damit hätten die andern eine Garantie für sein Schweigen bei den Täuschungsmanövern. Und Bernard Tufts malte – malte wie ein Verrückter.
Dann kauften Jeff und Ed die Galerie Buckmaster. Ob Bernard einen Anteil besaß, wußte Tom nicht. Die Galerie zeigte mehrere Derwatts in einer Dauerausstellung, die natürlich auch Bilder von anderen Künstlern enthielt. Dies fiel mehr in Jeffs als in Eds Gebiet, und Jeff stellte auch einen Assistenten an, eine Art Manager für die Galerie. Diesen Schritt nach oben – den Kauf der Galerie – hatten sie erst getan, nachdem ein Hersteller von Malereiartikeln an sie herangetreten war – er hieß George Janopolos oder so ähnlich –, der eine Serie von Gegenständen mit dem Etikett ›Derwatt‹ herausbringen wollte – praktisch alles vom Radiergummi bis zum Satz Ölfarben. Dafür offerierte er Derwatt eine Beteiligung von einem Prozent. Ed und Jeff hatten beschlossen, das Angebot für Derwatt (angeblich mit Derwatts Zustimmung) zu akzeptieren; und daraufhin hatte man die Firma Derwatt Ltd. gegründet.
All dies ging Tom um vier Uhr morgens durch den Kopf. Er fröstelte ein wenig, trotz des fürstlichen Hausmantels; Mme. Annette war sparsam und drosselte nachts die Heizung. Er hielt die Tasse mit dem süßen kalten Tee in der Hand und starrte blicklos auf ein Foto von Heloise – langes blondes Haar zu beiden Seiten des schmalen Gesichts, doch im Augenblick sah er nur ein nettes, inhaltloses Bild und nicht ein Gesicht. Er dachte an Bernard und seine Arbeit an den Fälschungen, die er in einem geschlossenen, vielleicht sogar abgeschlossenen Raum in seiner Atelierwohnung ausführte. Die Wohnung war ziemlich schlampig, war es immer gewesen. Das Allerheiligste hatte Tom nie gesehen, den Raum, wo Bernard seine Meisterwerke herstellte, die Derwatts, die Tausende von Pfuncl einbrachten. – Wenn man nun mehr Fälschungen als eigene Werke malte, mußten dann die Fälschungen nicht natürlicher, spontaner, echter werden, vielleicht sogar in Wahrheit viel mehr dem Maler entsprechen als die eigenen Bilder? Würde es nicht so kommen, daß am Ende die mühsame Nachahmung verschwand und das Werk zur zweiten Natur wurde?
Schließlich rollte sich Tom auf dem gelben Sofa zusammen, ließ die Hausschuhe auf den Boden fallen und zog die Füße unter den Morgenrock. So schlief er ein. Er hatte noch nicht lange geschlafen, als Mme. Annette hereinkam und ihn mit einem halblauten Schrei oder schrillen Seufzer der Überraschung weckte.
»Ich muß beim Lesen eingeschlafen sein«, sagte er lächelnd und setzte sich auf.
Mme. Annette ging eilig hinaus, um ihm Kaffee zu machen.
2
    Tom bestellte einen Flug nach London für Dienstag mittag. Er hatte dann drüben nur etwa zwei Stunden für Umziehen, Make-up und die nötigsten Informationen. Zu wenig Zeit, um nervös zu werden. Er fuhr jetzt nach Melun, wo er sich bei seiner Bank mit Bargeld – in Franken – versorgen wollte.
    Es war elf Uhr vierzig, und um zwölf schloß die Bank. Tom war der dritte in der Schlange am Schalter, wo Bargeld ausgezahlt wurde, doch das Pech wollte es, daß eine Frau an diesem Schalter Lohngelder oder ähnliches einzahlte. Sie hob einen Beutel nach dem andern auf und setzte ihn vor das Schalterfenster, während sie breitbeinig mit den Füßen die Beutel festhielt, die noch auf dem Boden standen. Hinter dem Schalter zählte der Bankangestellte mit angefeuchtetem Daumen die Banknotenstapel, so schnell er konnte, und notierte die Additionen auf zwei Zetteln. Der Uhrzeiger kroch auf zwölf zu; Tom überlegte, wie lange das noch dauern konnte, und sah belustigt zu, wie die Schlange kürzer wurde. Jetzt standen noch drei Männer und zwei Frauen vor dem Schalter und starrten wie gebannt auf den Geldhaufen, als sei es ein Erbteil und ihnen von einem Verwandten hinterlassen worden, der sein Leben lang hart dafür gearbeitet hatte. Tom gab jetzt auf und ging hinaus. Es würde auch ohne dies Bargeld gehen; er hatte ohnehin nur vorgehabt, es an englische Freunde zu verkaufen oder zu verschenken, die vielleicht nach Frankreich kommen wollten.
    Als Tom am Dienstag morgen beim Kofferpacken war, klopfte Mme. Annette an seine Schlafzimmertür.
»Ich fahre
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher