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Ringkampf: Roman (German Edition)

Ringkampf: Roman (German Edition)

Titel: Ringkampf: Roman (German Edition)
Autoren: Thea Dorn
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werden.«
    »Mmh.« Die Dramaturgin nickte vage.
    »Bin mir sicher, er wird in der gesamten Weltgeschichte der einzige bleiben, der zweimal die gleiche Oper abgefackelt hat«, sagte Elli anerkennend. »Wird berühmter werden als der gute alte Herostrates, unser maestro assoluto .« Sie verscheuchte eine Taube, die um ihrem Tisch herumhinkte.
    Die Dramaturgin hauchte ihre schwarzen Gläser an. »Inzwischen glaube ich fast, du hattest recht«, sagte sie leise. »Der Ringist verflucht.«
    Ein obskures Lächeln verklärte das Gesicht der abgehalfterten Souffleuse. »Aber nur – bis in meiner Hand den Geraubten wieder ich halte «, sang sie mit rauhem Schnapstimbre.
    »Bitte?« Cora rückte ihre Brille zurecht.
    Elli hob ihre Rechte und drehte an der Stelle des Ringfingers, an der bei verheirateten Menschen das Ehesiegel saß.
    Hirnfaser für Hirnfaser wandelte sich Coras Verständnislosigkeit in Fassungslosigkeit. »Oh nein«, entfuhr es ihr. Sie starrte die Souffleuse an.
    »Oh nein«, stöhnte sie noch einmal. »Du warst der mysteriöse Wurm, der von Anfang an in dieser Wiederaufnahme drinsteckte! Die Geschichte mit Alexanders Ehering – die verschwundenen Regiebücher – Elisabeths Sturz von der Schaukel – der gepanschte Champagner – das warst alles du!«
    Elli Schubert machte eine knappe Verbeugung. »Aber sicher. Mußte doch verhindern, daß sich diese Taktstock-Schwuchtel mit Haffners Federn schmückt. Hatte kein Recht auf euren Ring.« Lächelnd verfolgte sie, wie die Dramaturgin ihre Brille abnahm und sich hinter ihren Handflächen verkroch.
    »Warst mein Haupttrumpf, Mädchen«, erklärte sie nicht ohne Stolz. »Wußte, wenn ich dich aus der Produktion rausziehe, fällt das ganze Kartenhaus zusammen. War mir klar, daß Raven fuchsig wird, wenn er
glaubt, du würdest seine Elisabeth schikanieren. Und warmir klar, daß du fuchsig wirst, wenn erfuchsig wird. Hast ihm das Zeug ja auch brav hingeschmissen. Die Johnson-Myer zu erschrecken sollte eigentlich nur noch der Gnadenstoß sein. – Konnte ja nicht ahnen, daß du so dumm warst, dich wieder von ihm einwickeln zu lassen«, knurrte sie. »Aber«, schob sie versöhnlich nach, »will mich nicht beschweren, er hats ja wieder gutgemacht.«
    Cora lüftete für eine Sekunde die Hand überihren Augen. »Hattest du da auch deine Finger im Spiel?«
    »Ne, ne, keine Sorge, Mädchen«, beruhigte Elli sie. »War ein schöner, echter Selbstmord. Einmal im Leben hat der genialische Künstler was ganz ohne Mutti-Hilfe hingekriegt.«
    Mühsam richtete sich die Dramaturgin wieder auf. Sie faßte sich an die pochende Stirn. »Elli, ich weiß nicht, ob ich dich für das, was du getan hast, erwürgen oder küssen soll«, murmelte sie.
    Die Souffleuse grinste. »Spendier mir einfach nen Kirsch.«
    Unter angegriffenem Schweigen warteten die beiden Frauen auf den Promillenachschub. Träge zogen die Mainwellen an ihnen vorbei. Das Feuertosen in ihrem Rücken war schwächer geworden.
    »Wie nennt man es gleich wieder, wenn Truppen in eine Schlacht geschickt werden, in dersie keine Überlebenschance haben«, fragte Cora stockend.
    »Himmelfahrtskommando, Schätzchen, Himmelfahrtskommando«, soufflierte die andere.
    Die Dramaturgin nippte an ihrem Glas. »In diesem Sinne«, flüsterte sie.
    »In diesem Sinne«, echote die Souffleuse.
    Neuerliches Schweigen breitete sich aus wie ein Ölfleck im Wasser.
    »Is sicher am besten, daß der Kasten gleich wiederabgebrannt is«, sagte Elli schließlich. »Wärso oder so eine Ruine geworden. Die Neuen hätten da kein Leben, keine Begeisterung mehr reingebracht.« Sie schlürfte den letzten Tropfen Kirsch aus ihrem Glas. »Will nur hoffen, daß der Krösch die Kohle fehlt, das Ding zum zweiten Mal aufzubauen.«
    Die Dramaturgin rieb sich die übernächtigt tränenden Augen. »Zanassian soll seinen Büro-Tiefgaragen-Hotel-Einkaufs- Tower auf das Grundstück klotzen. Und die Oper gleich ganz draußenlassen.« Sie setzte ihre Sonnenbrille wieder auf.
    »Die Opernhäuser werden aussterben wie die Dinosaurier«, sagte sie gedämpft. »Unser Ringkampf war die letzte große Oper, die in der Oper stattgefunden hat.«
    Ein sengender Fallwind trug ihre Worte davon.

Der Goldmann Verlag ist ein Unternehmen
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    Taschenbuchausgabe April 2003
    Copyright © 1996 Europäische Verlagsanstalt/
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JE · Herstellung: Sebastian Strohmaier
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