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Ringkampf: Roman (German Edition)

Ringkampf: Roman (German Edition)

Titel: Ringkampf: Roman (German Edition)
Autoren: Thea Dorn
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Jahre, und es wird vergessen sein, daß Sie hierin Frankfurt je einen Ring dirigiert haben.« Mit der Unerbittlichkeit eines Picadors stach sie Bellini ihre Worte in den Rücken. »Sie sind kein Wagner-Dirigent, Signore! Ihnen fehlt jeglicher Blick für die Schärfe dieser Musik. Bei Ihnen klingt der Ring, als ob Wagner ihn in lauen Sommernächten komponiert hätte. Ich an Ihrer Stelle würde lieber gleich in den Knast gehen, anstatt mich vorher noch zu blamieren.«
    Ein unbändiges Brüllen brach aus der Dirigentenseele
hervor. Der Maestro raste die Erdwölbung hoch, stürzte sich auf Cora und packte sie an der Gurgel. Die beiden Schattenbilder verkrallten sich ineinander.
    » Troia! Brutta troia «, heulte er wieder und immer wieder. Die Dramaturgin trat heftig um sich. Sie brachte den Dirigenten dazu, seine eherne Umklammerung zu lockern.
    »Ich glaube nicht, daß es klug wäre, mich zu erwürgen«, keuchte sie. »Elli Schubert weiß, daß ich hier bin. Und sie weiß, was ich weiß.«
    Überrascht von der Plötzlichkeit, mit der Bellini sie losließ, kam sie auf dem abschüssigen Boden ins Stolpern. Sie fiel hin, überschlug sich, rutschte den Erdrücken hinunter und krachte gegen den zugenagelten Souffleusenkasten.
    Der Maestro hatte sich zum Bühnenprospekt hin abgewandt. »Oh Reginald, Reginald«, stieß er schmerzlich hervor. » Perchè non ti ho creduto! Ho prestato fede ai miei peggiori nemici! «
    Mit drohenden Schritten eilte er auf die synthetisch lodernde Festung zu. »Aber sie werden nicht über mich triumphieren. No! Giammai! Vittoria mia! « Er stimmte ein tödliches Gelächteran.
    Die Dramaturgin hatte ihn nicht mehr warnen können. Sie hatte ihm zurufen wollen, daß die Bühnenarbeiter heute nachmittag die dreißig obersten Monitore zwar schnell noch auf das Gerüst gestellt, aber nicht mehrfest geschraubt hatten. Alles, was ihrer gequetschten Kehle entwich, war ein kläglicher Schrei. Und auch dieser kam zu spät. Der Zorn des Dirigenten hatte die fragile Alu-Konstruktion bereits in Schwingungen versetzt. Derfreie Fall der Bildschirme hatte begonnen.
    Cora hechtete in den flachen Orchestergraben. Monitore schlugen in die Erdkuppe ein. Holz, Glas und Kunststoff splitterten, Bildröhren implodierten. Bellinis Gelächter endete mit einem grausam verzerrten sforzato. Cora preßte sich auf den staubigen Boden.
    In ihrem Rücken entbrannte das letzte Finale. Dreihundert Monitore warfen sich ins Gefecht. Die Kette der Detonationen wollte nicht abreißen. Mit beiden Händen hielt sich Cora die Ohren zu.
    Das Ächzen einer Stahlschwinge breitete sich über die berstende Szenerie. Cora blinzelte vorsichtig nach oben. Der Eiserne Vorhang senkte sich aus seinem Horst. Der tonnenschwere Schild würde die Bühne samt Orchestergraben zum unentrinnbaren Kessel machen. Panische Angst peitschte Cora ins Leben zurück. Mit dem Gesicht am Boden robbte sie auf die rettende Demarkationslinie zu. Verbissen zog sie sich die siebzig Zentimeter zum Zuschauerraum empor.
    Jetzt erst, vom sicheren Parkett aus, wagte sie es, zur Bühne zurückzublicken. Von der gläsernen Wand stand nur noch das dürre Gerippe. Der Erdrücken war unter schwelenden Trümmern begraben. Eine schwarze Moräne wälzte sich an die Rampe. Durch giftigen Rauch und gespenstisch reale Flammen hindurch konnte Cora in den tieferen Bühnenraum sehen. Gefaßt erwarteten die restlichen Götterdämmerungs -Kulissen ihren nahenden Feuertod.
    Bis zuletzt starrte die Dramaturgin auf den schmäler werdenden Bühnenstreifen.
    » Zurück vom Ring «, wisperte sie, während das Wasser eines irregeleiteten Sprinklers überihrniederging.

Epilog
    Der Tag, an dem die Oper Frankfurt zum zweiten Mal niederbrannte, war einer unter vielen. Der Rauch qualmte, die Flammen loderten, die Feuerwehr löschte. Die Opernpark-Junkies fixten, die Kulturdezernentin betrieb Krisenmanagement, und auch sonst ging jeder in der Stadt seinen üblichen Geschäften nach. Selbst die Möwen schaukelten gelangweilt auf dem tranigen Mainwasser. Die wiederholte Weltkatastrophe warkeine mehr.
     
    Die Dramaturgin und die Souffleuse saßen auf einer Caféterrasse am Main. Vor ihnen standen die üblichen Gläser.
    Elli Schubert schaute über den glitzernden Fluß. »Hat es Bellini also doch noch geschafft«, sagte sie nachdenklich.
    Mit schlafwandlerischen Bewegungen polierte Cora ihre Sonnenbrille. Ihre Augen blinzelten im gleißenden Tageslicht. »Was«, fragte sie abwesend.
    »Unsterblich zu
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