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0428 - Der Gedanken-Töter

0428 - Der Gedanken-Töter

Titel: 0428 - Der Gedanken-Töter
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Leonard C. Koenig genoß die Ruhe und das bizarre Panorama. Antriebslos driftete die DANILA auf der weiten Fläche des Lake Powell, des größten Stausees der USA mit einer Länge von rund hundertfünfzig Kilometern und entsprechender Breite. In weiter Ferne ragten die Steilufer des Gien Canyon auf, die Felsmassive dieser Schlucht, durch die sich der Colorado-Strom vor Jahrtausenden seinen Weg gebahnt hatte, bis Menschen auf die Idee kamen, ihn aufzustauen und an der Staumauer eines der größten Kraftwerke zu installieren. Im Osten die Silhouette der Rocky Mountains, im Nordwesten die Wasatch-Berge und im Süden das Colorado-Plateau, war der Lake Powell schon bald zu einer Touristen-Attraktion geworden. Wer Abenteuer, Urlaub genießen wollte, konnte das hier ebenso in der wildromantischen Landschaft rings um den Stausee, wie jemand, der eigentlich nur Erholung und Luxus wollte.
    Koenig wollte beides.
    Er wollte dem Krawattenzwang für ein paar Tage entgehen und zusammen mit seiner Frau die Wildnis genießen, und er wollte die Möglichkeit haben, sich anschließend in angenehmer Atmosphäre zu entspannen.
    Die DANILA, die er gemietet hatte, war dafür genau richtig. Die etwa fünfzehn Meter lange Yacht besaß eine äußerst gediegene Ausstattung, und mit ihr konnte Koenig vom Lake Powell aus die Uferstellen ansteuern und vor Anker gehen, die ihm interessant genug erschienen, Kletterpartien oder Wandertouren zu unternehmen, am Lagerfeuer selbsterlegtes Wild zu braten und der Zivilisation den Rücken zu kehren.
    Ihm gehörte eine der größten Privatbanken der USA, und er war zugleich einer der maßgeblichen Männer im Vorstand eines größeren Bankenkonsortiums, und seine Stimme hatte Gewicht. Seine Position brachte Verpflichtungen mit sich, denen er sich einfach nicht entziehen konnte, bloß ein paarmal im Jahr verschwand er zusammen mit seiner Frau in der Wildnis, verbrachte dort ein paar erholsame Tage und kehrte frisch und munter an den Schreibtisch zurück.
    Mit seinen vierundvierzig Jahren hatte er im Grunde alles erreicht, was er jemals erreichen wollte. Vielleicht hätte er noch versuchen können, das Gouverneursamt anzustreben, aber zum Politiker eignete er sich nach eigener Darstellung nicht. Er machte seine Politik lieber mit Geld, unterstützte die Vergabe von günstigen Krediten an die Dritte Welt oder für Umweltprojekte. Damit konnte er mehr erreichen als mit tagelangen Parlamentsdebatten, bei denen es weniger um Sachzwänge, sondern mehr um das persönliche Profil der Redner und Abgeordneten ging.
    Koenig lehnte am Decksaufbau der Yacht und genoß das Panorama der zerklüfteten, steil aufragenden Uferfelsen. Er fühlt sich wohl hier draußen auf dem See. Sie waren von Page aus weit genug hinaus gefahren, um dem Touristenrummel zu entgehen. Hier, gut siebzig Kilometer vom Staudamm entfernt, zwischen der Staatsgrenze von Utah und Arizona und der Stelle, an der der Lake Powell sich gabelte, weil er außer vom Colorado-Strom auch noch vom San Juan-River gespeist wurde, waren sie allein auf der großen Wasserfläche, die das helle Sonnenlicht spiegelte und zum Tragen einer stark getönten Sonnenbrille zwang.
    Aber das Wetter konnte sich auch von einer viel unangenehmeren Seite zeigen. Es änderte sich hier draußen in den Bergen schnell. Deshalb war es ratsam, Radio und Funk laufen zu lassen und ständig auf die Wetterdurchsagen zu achten.
    Doch im Moment deutete nichts darauf hin, daß eine jähe Änderung eintrat. Ein Hochdruckgebiet lag über den Rocky Mountains und hatte sich festgesetzt, die Wetterlage war stabil.
    Rhea kam vom Achterdeck, wie Leonard in Shorts und T-Shirt gekleidet und die Augen mit einer Sonnenbrille vor den gleißenden Reflexionen auf der Wasseroberfläche geschützt. Sie hielt zwei Long-Drink-Gläser in den Händen. Eines reichte sie Leonard. Er lächelte ihr dankbar zu und trank.
    Nur ihr Gesichtsausdruck wollte ihm nicht gefallen. »Du hast doch irgend etwas, Rhea.«
    Sie hob unbehaglich die Schultern. »Ein ganz komisches Gefühl«, sagte sie. »Mir ist, als würden wir beobachtet.«
    Unwillkürlich warf er einen neuerlichen, diesmal prüfenden Blick in die Runde. Aber die Ufer waren zu beiden Seiten weit entfernt. Wenn sich dort Menschen in den Felsen aufhielten, waren sie nicht einmal zu erkennen. Höchstens mit einem starken Fernglas. Aber wer sollte schon versuchen, die DANILA zu beobachten, so intensiv und interessiert, daß Rhea Koenig das körperlich spüren konnte? Es
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