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Ringkampf: Roman (German Edition)

Ringkampf: Roman (German Edition)

Titel: Ringkampf: Roman (German Edition)
Autoren: Thea Dorn
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Geschäfts- und Ladeneinheiten, mit Hotel und Tiefgarage, so wie wir es damals vorgeschlagen haben, hätte nur dann einen Sinn gemacht, wenn man es als die neue äußere Form für eine neue innere Form begriffen hätte. Und ich kann Ihnen nur beipflichten, wenn Sie es bedauern, daß Frankfurt die Chance verpaßt hat, den Wiederaufbau des Operngebäudes für die in der Tat dringliche Reform der dortigen Verwaltungsstrukturen zu nutzen. Aber ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß so ein tiefgreifender Umwandlungsprozeß, in dem ein Theater aus der beschützenden staatlichen in die private Hand übergeben wird, mit Besonnenheit und äußerster Behutsamkeit angegangen werden muß. Es zeugt von der Weisheit der hiesigen Entscheidungsträger, erkannt zu haben, daß in der drängenden Notsituation – wie sie damals bestand – niemand für diese Besonnenheit und Behutsamkeit würde garantieren können.«
    Ein sanfter Schwindel hatte Cora befallen. »Sie glauben nicht, daß das alte Haus nur deshalb wieder aufgebaut wurde, weil es zu guter Letzt dann doch nicht genügend abgebrannt war?«
    »Die Frage, welcher Aufwand nötig sein würde, um die verbliebene Gebäuderuine zu restaurieren, hat bei den Überlegungen sicher eine bedeutende Rolle gespielt«, gab Zanassian formvollendet zurück.
    Cora beschloß, von den rhetorischen Stöckeln herunterzusteigen. »Das heißt also: Wenn das Haus damals noch stärker niedergebrannt wäre, hätte man es vollständig
abgerissen. Und zum Beispiel Ihren Vorschlag realisiert.«
    Der Tycoon parierte gelassen. »Sehen Sie«, sagte er, »ich bin ein einfacher Geschäftsmann und handle ausschließlich mit Realien. Ich kann Ihnen nicht sagen, was passiert wäre, wäre die Oper tatsächlich bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Abstrakte Spekulationen sind nicht mein Metier.«
    »Aber vielleicht können Sie mir ja wenigstens verraten, ob es Ihnen leid getan hat, daß die Oper nicht bis auf die Grundmauern niedergebrannt ist«, sagte Cora und kräuselte die Zehen.
    Der Immobilienwal schaute sie undurchdringlich an. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihre Frage verstehe.«
    »Und ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihre Antwort glaube.«
    Zanassian lächelte. Er ließ die grazilen Finger spielen. »Frau Starneck, halten Sie mich nicht für unhöflich, wenn ich es wage, Ihnen eine Empfehlung mit auf Ihren künftigen Weg zu geben«, sagte er. »Konzentrieren Sie Ihre – zweifelsohne glänzenden – Talente auf Ihren eigentlichen Aufgabenbereich. Alles andere wäre Zeitverschwendung. « Ein spöttischer Zug schnitt sein Lächeln. »Die Gerüchteküche ist zwar diejenige Küche, die in Frankfurt am längsten geöffnet hat. Aber glauben Sie mir: Irgendwann schließt auch sie einmal.«
    Er erhob sich mit Nachdruck. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden! Meine Sekretärin wird Sie hinausbegleiten.« Er hielt der Dramaturgin seine alabasterne Rechte hin. »Es hat mich sehr gefreut, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben«, sagte er aufrichtig. »Vielleicht bietet sich ein andermal die Gelegenheit,
unseren anregenden Diskurs zu vertiefen. Ich wünsche Ihnen viel Glück. Oder wie man in Ihren Kreisen wohl eher zu sagen pflegt: toi, toi, toi!«
    Leicht benommen wandte sich Cora zum Ausgang. Die Sekretärin stand bereits in der Tür. Trotz der gewaltigen Ausmaße des Raumes hörte Cora das leise Klicken, das von der Fensterseite her ihren Schritt über die Schwelle begleitete.
    Mit unbewegter Miene wählte Egolf Zanassian die Nummer des Feuilleton-Chefs der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

45
    Den Goldenen Schluck hatte er sich aus dem Flachmann gesetzt. Noch immer umkrampften die Finger das silberne Gefäß. Die Totenstarre hatte begonnen.
    Tränen sickerten auf die bleiche Halbglatze. Cora zog die Nase hoch. Sie beugte sich über den Leichnam am Schreibtisch. Ihre Arme schlangen sich unter den erkalteten Achselhöhlen hindurch. Ihre Lippen berührten den Nacken. Die Haut war weich. Rotz und Speichel hinterließen glänzende Spuren.
    Reglos blieb sie auf Alexander Raven liegen. Sie sah die drei leeren Wodkaflaschen, die dem Flachmann die Vorarbeit geleistet hatten. Ihre Hand griff nach der seinen. Die kalten Finger wollten ihren letzten Besitz nicht hergeben. Der Flachmann war ein Geschenk. Die Finger knackten, als Cora sie aufzwang. Damals, zum ersten Ring-Beginn hatte Alexander das kostbare Stück geschenkt bekommen. Von ihr.
    Die Sonne taumelte über den Zenit. Quecksilbrig stiegen die
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