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Ringkampf: Roman (German Edition)

Ringkampf: Roman (German Edition)

Titel: Ringkampf: Roman (German Edition)
Autoren: Thea Dorn
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verschränkte die Arme über der Brust.
    Ein winziger, gänzlich unerwarteter Hauch bewegte die angespannte Atmosphäre. »Ich werde den Ring zu Ende inszenieren«, sagte eine kühle Stimme.
    Vier Augenpaare schnellten zur rechten Ecke des Sofas. Cora Starneck saß so still, als ob sie nie den Mund geöffnet hätte.
    Hermann Preuss fand als erster die Sprache wieder. »Aber natürlich«, rief er erleichtert aus. »Frau Starneck ist ja mit der alten Inszenierung bestens vertraut! Daß wir an diese Möglichkeit nicht sofort gedacht haben! Natürlich! Frau Starneck, Sie werden den Ring vollenden! «
    Elisabeth Raven-Winterfeld Schoß in die Höhe. »Du verfluchtes Aas«, fauchte sie mit überschnappender Stimme. »Reicht es dir nicht, daß Alexander tot ist! Mußt du ihm jetzt auch noch aufs Grab spucken!«
    Cora lachte bitter. »Was weißt du denn schon?« Sie hielt ihre schwarzen Gläser stur auf die Panoramascheibe gerichtet. »Wenn hier etwas Alexanders Grab besudelt, dann ist es dein läppisches Geflenne.«
    Die graue Witwe schrie auf. Eine Handvoll eckiger Fingernägel schrammte der Dramaturgin durchs Gesicht.

47
    Schläfst du, Hagen, mein Sohn?
    Gähnend drückte die Dramaturgin ihre Zigarette aus. Den ganzen Abend schon wälzte sie den zweiten Aufzug der Götterdämmerung. Mit Grausen blickte sie Alberichs Auftritt entgegen. Im Geiste sah sie den polnischen Sänger schon wie ein Nachtgespenst um Hagen herumflattern.
    Schläfst du, Hagen, mein Sohn? . . . Ich – und du: Wir
erben die Welt, trügich mich nicht in deiner Treu, teilst du meinen Gram und Grimm .
    Schmunzelnd steckte sich Cora die nächste Zigarette an. Gestern bei der Krisensitzung hatte Bellini ein beachtliches Alberich-Potential an den Tag gelegt. Vielleicht sollte sie ihn fragen, ob ernicht die Rolle übernehmen wollte. Die Zigarette glomm auf.
    Sei treu, Hagen, mein Sohn! Trauter Helde, sei treu! Sei treu! – Sei treu!
    Cora schrieb einige Notizen in das noch unbefleckte Regiebuch. Sie beschloß, Alberich in die Video-Festung zu verbannen. Und zwar lediglich seinen Kopf. Auf diese Weise würde der ungelenke Nibelung am wenigsten motorisches Unheil anrichten.
    Sie zog einen befriedigten Strich unter die Szene. Irgendwie gefiel ihr die Idee, den Nachtalben über die schwarzen Bildschirme flimmern zu lassen.
    Auf dem Balkon wares noch schwülerals im Zimmer. Die Hitze klebte an den Häuserwänden. Über dem Taunus kündigte sich ein Gewitteran. Die Straße war bis auf eine hinkende Katze ausgestorben. Cora massierte sich den verspannten Nacken. Alexanders Beerdigung sollte in ungefähr drei Wochen sein. Die Rheingold -Premiere konnte frühestens in zwei Wochen stattfinden.
    Cora berührte die Kratzer, die Elisabeths Fingernägel auf ihrem Gesicht hinterlassen hatten. Die Zeit brannte. Doch egal wie: Sie mußte es schaffen, den Ring über die Bühne zu bringen, bevor Alexander unter die Erde ging. Den Triumph, an diesem Werk zu Recht gescheitert zu sein, sollte ernicht mitins Grab nehmen.
    Sie kehrte an den Tisch zurück, kippte einen Schluck aus dem Flachmann und blätterte zum finalen Weltenbrand
vor. Ein Windstoß rüttelte in den Jalousien. In der Ferne ertönte das erste Donnergrollen.
    Der Weltenbrand war diejenige Szene, über die sie damals mit Alexander am erbittertsten gestritten hatte. Er hatte den Ring im glühenden Nirwana enden lassen wollen. Mit ihrem Flammen-Liebes-Tod hatte Brünnhilde auch Erdball und Walhall anstecken sollen.
    Cora hatte dieser Weltuntergangsromantik stets mißtraut. Nur weil eine mit heiklen Trieben ausgestattete Frau endlich herausfand, daß sie ihren Liebhaber auf den Scheiterhaufen legen mußte, um ihn lustvoll besteigen zu können, löste sich nicht gleich die ganze verkrachte Welt in Harfenklang und Feuerzauber auf. Deshalb hatte sie damals darauf bestanden, dem musikalischen Erlösungsgewaber einen trotzig in die Zukunft starrenden Alberich entgegenzusetzen.
    Die Dramaturgin kritzelte eine Bühnenbildskizze aufs Papier. Die Vorstellung, das flammentrunkene Finale unter dem kalten Blick des Nibelungen gefrieren zu lassen, bereitete ihr nach wie vor diebisches Vergnügen. Weniger Vergnügen bereitete ihr die Vorstellung, Slawomir Wolansky wie einen abgezehrten Gartenzwerg auf dem Souffleusenkasten hocken zu sehen.
    Sie seufzte. Auch wenn die Feuerprobe noch vor ihr lag, war sie jetzt schon sicher, daß dieser Viertel-Ring ihr erster und letzter Ausflug auf den Regiestuhl bleiben würde. Der Widerstand des
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