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Ringkampf: Roman (German Edition)

Ringkampf: Roman (German Edition)

Titel: Ringkampf: Roman (German Edition)
Autoren: Thea Dorn
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Materials entfachte in ihr nicht den libidinösen Funken, den richtige Regisseure zum Warmlaufen brauchten. Dieser Beruf würde sie unweigerlich zur Totschlägerin machen.
    Cora blätterte weiter im Finale. Jetzt wie damals fragte sie sich, ob Alexander mit seiner Untergangs-Apotheose
nicht wagnerianischer war als Wagner selbst. Sicher hätte ihre eigene Variante, Alberich in kultiviertem Haß triumphieren zu lassen, während Wotan in Liebe verbrannte, dem Meister keine unmittelbaren Begeisterungsstürme entlockt. Aber sie fand es erstaunlich, daß erihre Variante wenigstens insofern beförderte, als erden Nibelungen vom Weltenbrand ausnahm. Und sie fand diese Zurückhaltung um so erstaunlicher, wenn sie bedachte, daß Wagner sonst keine dramaturgischen Kosten und Mühen gescheut hatte, sein gesamtes Ring-Personal auf die große Leichenhalde zu kippen.
    Sie gähnte. Entweder mußte Wagner glauben, Alberich bereits hinreichend vernichtet zu haben, indem er Brünnhilde mit ihrer Erlösungs-Großtat auch den verfluchten Ring entsündigen ließ. Oder aber er hatte es eben doch nicht ausschließen wollen, daß Alberichs Reich der kastrierten Lust eines Tages noch kommen würde.
    Sie fuhr zusammen. Ein gewaltiger Donnerschlag vergrollte über der Stadt. Die Luft vibrierte. Die Notensysteme und Textzeilen verschwammen vor ihren Augen.
    Abgekämpft trat sie auf den Balkon hinaus. Dreck und Staub wirbelten über den Asphalt. Graue Wolken wälzten sich am schwefelgelben Himmel.
    Ihr müder Blick streifte eine Litfaßsäule. Die Bettelplakate der Oper Frankfurt, die bislang dort gehangen hatten, waren verschwunden. Doch erst als ein Blitz den düstren Gewitterschleier zerriß, erkannte sie, was jetzt dort hing. Es waren Ring-Plakate. Plakate für ihren Ring. Aber nicht diejenigen, die sie mit Alexander entworfen hatte. Statt des roten Schriftzugs, der durch eine
Zeichnung aus Alexanders Skizzenbuch floh, protzten Goldlettern vor schwarzem Hintergrund. Drei Worte flammten im Blitzlicht auf.
    WAGNER. RING. BELLINI.
    Die Dramaturgin holte Luft. Doch sie kam nicht mehr dazu, sich aufzuregen. Etwas anderes ließ ihr den Atem stocken.
    Auf einmal wußte sie, daß es Alberich gelungen war, den Ring doch wieder in seine Gewalt zu bringen.

48
    Auf den Bildschirmen loderten lautlos-kalte Flammen. Die Festung der Gibichungen lag in unruhigem Schlaf.
    Eine einsame Gestalt saß im hochgefahrenen Orchestergraben. Ihre Silhouette verschmolz mit der des dreibeinigen Flügels, hinter dem sie Zuflucht gefunden hatte. Matt vorgetragene Götternot verklang im Schnürboden.
    Die Götterthemen waren erschöpft. Zum letzten Mal kündeten Fanfaren vom alten Des-Dur-Glanz. Zum letzten Mal beschrieben die Tasten den mächtigen Aufstieg, der sich im flirrenden Zenit zum Niedergang gewendet hatte.
    Die Gestalt am Flügel erhob ihre Stimme. » Mein Erbe nun nehm ich zu eigen. Verfluchter Reif. Furchtbarer Ring! «
    Die Musik kehrte in ihre Ursprungs-Elemente zurück. Sie tauchte unter Wasser, schoß in die Luft und beschleunigte sich, bis Läufe und Triller feurig zerschweiften. Die traktierten Flügelsaiten sprühten Funken.
    » Der Götter Ende dämmert nun auf «, schmetterte die Gestalt, » so werf ich den Brand in Walhalls prangende Burg .« Ein wuchtiger Sext-Akkord sprengte die nächtliche Theaterstille bis ins Fundament.
    Aus dem Festungssaal ertönte leises Lachen.
    »Spielen Sie Siegesfeier, Signore«, fragte eine anzügliche Stimme.
    » Chi è là? « Der ertappte Musikant riß die Finger von den Tasten und blinzelte in den flackernden Bühnenraum hinein.
    Ein schmaler Schatten erstieg langsam die Erdwölbung. »Oder störe ich Sie beim Komplet«, fragte der Schatten und lachte wieder.
    » Lei? Frau Starneck? Was tun Sie hier?«
    »Ich habe Sie überall gesucht«, antwortete die Dramaturgin schlicht. In ihrer Hand flammte ein Feuerzeug auf. »Ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich es mir anders überlegt habe. Alberich soll den Ring doch nicht als Sieger verlassen. – Sie haben verloren, Signore. Da hilft auch kein fliegender Rollenwechsel mehr.« Sie steckte ihre Zigarette an und stieß eine lakonische Rauchwolke aus. »Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, Signore, daß Sie eben ein paar entscheidende Textzeilen unterschlagen haben? Brünnhilde darf den Ring nämlich nicht für sich behalten. Sie muß ihn brav an die Rheintöchter zurückgeben.«
    »Was reden Sie da?« Benito Bellini hatte seine Klavierbank vom Flügel weggerückt, um die
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