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Rheingrund

Rheingrund

Titel: Rheingrund
Autoren: S Kronenberg
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ihr alle glaubt. Komm mit in den Garten!«
    Er berührte ihre Schulter, was Norma mit stillem Erstaunen zur Kenntnis nahm. So übermütig hatte sie den biederen Wolfert selten erlebt. Milano wirkte, als er ihr zum Gruß zunickte, um einiges angespannter, als schien er von dem Erfolg des Vorhabens weniger überzeugt als der Kollege.
    Ruth war sichtlich beunruhigt und wandte sich an Milano. »Was haben die Männer vor? Was sollen die Spaten?«
    Milano räusperte sich. »Frau Diephoff, unsere Spezialisten haben die Tonqualität überarbeiten können. Uns liegt jetzt Rebers vollständige Aussage vor.«
    »Heißt das, Sie wissen, wo meine Tochter ist? Doch nicht hier in meinem Garten?«
    Mit ungeschickter Vertraulichkeit legte er die Hand auf Ruths Arm. »Ich weiß, Sie haben darum gebeten, informiert zu werden. Keinesfalls müssen Sie das mit ansehen, Frau Diephoff. Wir bringen Sie besser zurück in die Untersuchungshaft. Ich hätte auch nichts dagegen, wenn Sie im Haus warten.«
    Sie verlangte mit fester Stimme, bleiben zu dürfen. Draußen!
    Norma folgte Wolfert in den Garten. Die Tulpen standen in Blüte, und die Rosen auf dem Terrassenhang setzten Knospen an. Milano ließ einen Stuhl für Ruth heranschaffen. Inken musste stehen. In sein maskenhaftes Gesicht schlich sich eine erste Beunruhigung ein.
    Einer der Männer hob den Spaten in die Luft. »Wo fangen wir an?«
    Wolfert stieg die ersten Stufen zur Terrasse hinauf, kletterte auf die Stützmauer und balancierte voran, bis er auf halber Strecke stehen blieb und mitten in die Böschung deutete. »Sie muss dicht hinter der Mauer liegen. Habe ich recht, Herr Inken?«
    »Ich habe keine Ahnung, wonach Sie hier graben wollen«, erwiderte Inken und gab sich unnahbar.
    »Wie tief?«, fragte der Mann mit dem Spaten, ohne Inken zu beachten.
    »Sehr tief«, murmelte Milano und blickte dabei mit gerunzelter Stirn zu Wolfert hinauf, der ungeschickt über die Lavendelbüsche stieg.
    Unbekümmerte Kinderrufe schreckten Norma aus der Rückschau auf, und sie erspähte eine Familie auf dem Weg, den sie selbst gekommen war. Sie sah auf die Uhr. Eine gute halbe Stunde blieb ihr noch bis zu dem Treffen mit Ehlers. Er hatte darauf bestanden, sie im Kloster abzuholen, und sie wollten in der Klosterschänke gemeinsam essen. Am liebsten hätte er sie auf der Wanderung begleitet, ließ sich aber auf ein anderes Mal vertrösten. Er schien zu verstehen, warum sie allein gehen wollte.
    Sie nahm den Rucksack auf die Knie und öffnete die Seitentasche. Zögernd zog sie den Briefumschlag heraus und hielt ihn in der Hand. Anstatt ihn zu öffnen, hob sie den Kopf und spähte in die Baumkronen hinauf, deren Grün noch zu zart war, um den Himmel abzuschirmen. Ihre Gedanken kehrten in den Garten zurück.
    Während die Männer emsig gruben, hielt sie sich im Hintergrund und beobachtete sowohl Ruth als auch Inken, die sich gegenseitig keines Blickes würdigten. Ruth war auf die Terrasse hinaufgestiegen und harrte dort, im Beisein ihrer Bewacher, auf einem Stuhl aus, während Inken auf der Treppe hockte. Die Männer arbeiteten zügig und wechselten sich mit dem Schaufeln ab. Von ihrer Position konnte Norma die Grube nicht einsehen, doch die schnell wachsenden Erdhaufen bedeckten bereits einen Großteil der Rosenstöcke. Inzwischen waren die Beamten der Spurensicherung eingetroffen und hielten sich in weißen Schutzanzügen zum Einsatz bereit.
    Inken wurde mit jedem Spatenstich unruhiger, bis er plötzlich aufsprang und rief: »Hören Sie auf damit! Marika ist ertrunken. Hier werden Sie niemals etwas finden!«
    Milano befahl ihm barsch, sich zu setzen und den Mund zu halten.
    Am späten Vormittag war es soweit. Einer der Männer meldete einen Fund. Er kletterte aus der Grube und überließ die Feinarbeit den weiß gekleideten Spezialisten. Wolfert, Milano und ein Vertreter der Rechtsmedizin umringten die Grube, bis ein weiß verhüllter und behandschuhter Arm einen vor Erde kaum erkennbaren Gegenstand ins Freie reichte.
    »Eine Handtasche!«, rief Wolfert und gab den Weg für einen anderen Spezialisten frei, der das Fundstück entgegennahm.
    Bald darauf wurde das Skelett geborgen. Ruth sprang auf, lief zur Treppe und brach noch auf der Terrasse zusammen. Inken erstarrte und gab keinen Ton von sich.
    Der Inhalt der Handtasche ließ darauf schließen, dass es sich wahrhaftig um Marika Inken handelte. Der Zahnvergleich sollte diese Annahme später bestätigen. In der Handtasche befand sich ein Brief, in dem
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