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Rheingrund

Rheingrund

Titel: Rheingrund
Autoren: S Kronenberg
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man ihm nichts wegnehmen will.«
    »Na, dann los!«
    Beherzt öffnete sie die Tür. Arlo drängte sich gegen ihre Beine und umrundete sie winselnd.
    Nach kurzem Zögern folgte der Anwalt. »Sperren Sie ihn aus!«
    Norma lockte den Hund vor das Tor, in der Hoffnung, dass er nicht jaulend um Einlass betteln würde, und schlich – auf Ehlers’ Fersen – über den Pfad zum Holzhaus hinunter. Auf halbem Weg duckte sie sich und deutete auf das rückwärtige Fensterband mit der zerbrochenen Scheibe. Ehlers nickte stumm, folgte ihrem Beispiel und legte das letzte Stück auf den Knien zurück. Durch Laub und Grasbüschel robbten sie an die Hütte heran.
    Das Fensterband lag ebenerdig. Ehlers schaute hindurch, fuhr herum und legte warnend den Zeigefinger auf die Lippen. An seiner Seite spähte Norma in die halbdunkle Hütte. Durch die zersprungene Scheibe waren Stimmen zu hören. Inkens zornige Rechtfertigungen. Und die anklagenden Vorwürfe einer Frau.

33
    Auf dem Bauch kauerte sie sich ins Gras und flehte im Stillen darum, dass sich Arlo draußen auf der Straße weiterhin still verhielt. Sie strengte die Augen an, die sich nur langsam auf das Zwielicht in der Hütte einstellen wollten.
    Bernhard Inken hatte sich an die Wand zurückgezogen und wandte den heimlichen Beobachtern den Rücken zu. Seine Aufmerksamkeit galt Ruth, die mit der Präsenz ihrer agilen Gestalt die Tür bewachte, Inken wie eine Tigerin lauernd in Schach hielt und dabei die Hände gegen die Gürteltasche stützte, die sie sich vor den Bauch geschnallt hatte. Mit abgespreizten Fingern, wie zum Zweikampf bereit.
    »Was soll das!«, bellte Inken. »Mach dich nicht lächerlich!«
    »Du fragst gar nicht nach deiner Frau«, entgegnete Ruth mit eisiger Stimme. »Dabei war es doch Marika, die dir die Nachricht geschickt hat. Warum willst du nicht wissen, wo sie ist?«
    »Was soll das, Ruth?«
    »Ich kann dir erklären, warum du nicht nach Marika fragst: Weil niemand besser als du mit Bestimmtheit weiß, dass sie tot ist.«
    Inken spannte die Schultern an. »Hast du es endlich kapiert? Marika ist im Rhein ersoffen. Das Wasser hat sie mitgerissen.«
    Erregt warf Ruth die Arme hoch und brachte damit die Bauchtasche ins Schlenkern. »Erzähle mir kein Märchen, Bernhard. Du wolltest ihre erste Verzweiflungstat für dich ausnutzen. Du hast die Reisetasche unter der Brücke abgestellt und ihren Selbstmord vorgetäuscht. Nachdem du meine Tochter getötet hast.«
    »Was für ein Irrsinn!« Er lachte gequält. »Man hat Marika am Biebricher Bahnhof beobachtet! Dafür gibt es Zeugen!«
    »Selbstverständlich hat man sie dort gesehen! Weil sie tatsächlich in Biebrich ausgestiegen ist«, erklärte Ruth mit gepresster Stimme. »Aber sie war nicht auf dem Weg zum Rhein. Sie wollte sich nicht umbringen. Ganz im Gegenteil. Sie wünschte sich ein neues Leben. Gemeinsam mit Martin.«
    »Ausgerechnet Martin!«, höhnte er.
    Ruth sprach unbeirrt weiter: »Er bekam ihren Anruf aus der S-Bahn. Sie bat ihn um ein Treffen im Gartenhaus. Als du an jenem Abend zu mir kamst, war Marika hier oben mit Martin zusammen. Sie wollten sich aussprechen.«
    Norma wagte kaum zu atmen. Ruths Schlussfolgerungen konnten sie nicht überraschen. Marikas Mutter wiederholte, was sie aus Martins Aufzeichnung erfahren hatte. Eher verwirrte sie Inkens Verhalten, der keinerlei Schuldbewusstsein zeigte. Statt einzulenken, stieß er Schmähungen über Martin und Marika aus, bis Ruth an die Bauchtasche griff und den Klettverschluss aufriss.
    »Ich helfe deiner Erinnerung gern auf die Sprünge. Marika war hier, als du zur Hütte kamst. Martin war im Streit auf und davon. Sie hat von ihm verlangt, sich zu seinem Kind zu bekennen! Ich muss dir nicht sagen, wie verletzend sie sein konnte, wenn sie zornig war. Und als du so unverhofft auftauchtest, hat sie es dir ins Gesicht gesagt: Inga ist nicht deine Tochter! Martin kam zurück, versteckte sich hinter der Hütte und hörte alles mit an.«
    Er gab nicht auf. »Leere Behauptungen! Ich habe nie bestritten, dass ich an jenem Abend zum Gartenhaus hinaufging. Und zwar allein. Außer mir war kein Mensch hier.«
    Ruth ließ den Blick nicht von ihm. »Du lügst! Und du bist voller Wut auf sie los, hast sie gepackt und geschüttelt, dass die Goldkette riss, und Marika mit dem Kopf gegen das Rüttelbrett gestoßen! Bis sie tot war!«
    Inken wurde wieder laut und stritt alles ab.
    Ruth schob die Hand in die Gürteltasche. »Wer brüllt, hat Unrecht. Das Leugnen hilft dir
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