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Rheingold

Titel: Rheingold
Autoren: Stephan Grundy
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das trinken kannst, dann bist du ein richtiger Mann.«
    Der Wanderer ließ die vergorene Stutenmilch in sein Trinkhorn laufen, Gudrun verzog mitfühlend das Gesicht, als er trank. Wenn ihm der Kumyß nicht schmeckte, dann ließ er es sich nicht anmerken. »Jetzt will ich euch ein Lied singen, das man in unseren Tagen selten am Rhein hört, das aber eure Herzen wahrscheinlich höher schlagen läßt. Ich singe vom Rheingold und erzähle die Geschichte, wie es aus dem Fluß geholt wurde, wie Hreidmars Söhne darum kämpften und schließlich Sigfrid, der Sohn von Sigmund und Herwodis, den Schatz bekam, nachdem er den Drachen getötet hatte.« Als der Sänger von Sigfrid sang, kamen Gudrun die Tränen. Sie mußte weinen, und ihre Tränen erstarrten auf den Fellen zu Eis. »Gut gesungen!« sagte Attila und füllte dem Wanderer das Horn. »Bringt mehr Kumyß und legt Holz nach! In einer solchen Nacht brauchen wir beides.« Attila hüllte sich fester in seinen dicken Umhang. Plötzlich lachte er. »Sänger, den letzten Vers deines Lieds mußt du bald ändern, denn im nächsten Sommer werden die Hunnen an den Rhein ziehen und das Rheingold finden, auch wenn wir von Worms bis zum Drachenfels jeden Stein umdrehen müssen. Dann wirst du ein neues Lied singen.«
    »Das wäre eine Tat, die ein Lied verdient.« Der Sänger setzte sich auf eine Geste von Attila neben ihn.
    Gudrun fiel auf, daß Attila sehr viel trank, während er sich mit dem Wanderer unterhielt. Es dauerte nicht lange, und er wankte in seine Kammer. Die Hunnen hatten sich bereits für die Nacht in ihre Felle eingehüllt, und die meisten schliefen.
    Nur der Schamane saß noch neben dem Sänger auf der Bank und sprach leise mit ihm. Gudrun verstand nicht, was sie redeten, aber sie sah, wie der Schamane schließlich nickte, seine Decken zusammensuchte und die Halle verließ. Der Sänger setzte sich wieder ans Feuer.
    Die Glut war noch nicht mit Asche bedeckt, als sich der Fremde geräuschlos erhob und zu Gudruns Käfig kam. »Sei leise«, flüsterte er.
    Sie sah das Messer in seiner Hand nicht, aber sie hörte, wie er die Sehnen durchtrennte, mit denen die Äste zusammengebunden waren. Er nahm behutsam einen Ast nach dem anderen heraus und legte ihn vorsichtig auf den Boden. Dann reichte er Gudrun die Hand. Als sie seine ergriff, strömte eine wunderbare Kraft in ihren Körper und wärmte sie. Die eisige Erstarrung, in der sie die vielen Tage in dem Käfig verbracht hatte, fiel von ihr ab. Gudrun verließ ihr Gefängnis. Der Fremde stützte sie, bis sie das Gleichgewicht wiedergefunden hatte und gehen konnte; dann wies er auf Attilas Kammer und bedeutete ihr, ihm zu folgen. Gudrun blickte sich mit angehaltenem Atem um. Die Männer schliefen alle. Niemand sah ihre Flucht.
    Attila schnarchte leise. Er lag auf dem Rücken; Gudrun sah Gunters goldene Kette mit dem Eberzahn um seinen Hals.
    Der Wanderer zog ein Schwert unter dem Umhang hervor und hielt es über den schlafenden Hunnenkönig. Mit der anderen Hand nahm er Gudrun am Handgelenk und legte ihr die Hand um den Schwertgriff.
    Als sich ihre Finger schlossen, ließ er das Schwert los. Sie packte es mit beiden Händen und stieß es Attila in die Brust. Sein Körper erbebte und zuckte. Er öffnete den Mund in einem stummen Schrei. Seine dunklen Augen öffneten sich und wurden starr. Er war tot.
    »Wo bewahrt ihr das Öl auf?« flüsterte der Wanderer, zog das Schwert aus der Wunde und wischte es an dem Laken ab. Gudrun nahm Attila Gunters goldene Kette und Hagens Armreif mit dem Adlerkopf ebenso ab wie die goldenen Gürtelschnallen aus Fafnirs Hort, die Sigfrid Giselher und Gernot geschenkt hatte. Die Hunnen sollten diese Dinge nicht behalten.
    »In den Vorratshäusern... draußen.«
    Sie liefen durch die hintere Tür hinaus, kämpften gegen den eisigen Wind, holten zwei große Krüge Öl und schütteten es über Attila.
    Gudrun nahm mit der Feuerzange glühendes Holz aus dem Feuer.
    An der Tür drehte sie sich um und warf die Glut auf das Öl. Sofort schlugen die Flammen hoch, fraßen sich gierig in die Wände und sprangen hinauf bis zum Schilfdach, wo der Wind sie in wenigen Augenblicken über die ganze Länge der Halle jagte.
    »Das reicht!« sagte der Wanderer und ergriff Gudrun bei der Hand.
    »Schnell fort von hier. Wir brauchen Pferde!« Sie liefen zu den Stallungen, sattelten zwei Pferde und saßen auf.
    Gudrun klammerte sich an das Pferd, das gehorsam dem Wanderer folgte, der in atemberaubender Schnelligkeit
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