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Rheingau-Roulette

Rheingau-Roulette

Titel: Rheingau-Roulette
Autoren: Sia Wolf
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‚klar gemacht’?“
    Hannes schwieg. Mit dem Rücken an die Küchenzeile gelehnt, stand er mit verschränkten Armen vor ihr, seinen Blick unverwandt auf sie gerichtet, aber das Gesicht zu einer ausdruckslosen Maske versteinert. Ein Eisblock, dessen Inneres unzugänglich ist.
    Alexandra zwang sich aufzustehen. Mühsam arbeitete sie sich aus dem Stuhl und stellte sich vor ihn.
    „Was heißt ‚klar gemacht’?“
    „Alex, ich bin nicht stolz auf das, was ich getan habe. Ich war außer mir. Und ich habe mit Stella eine Absprache getroffen, an die ich mich halten möchte. Wir haben eine gemeinsame Nacht verbracht. Und wir haben es öffentlich gemacht. Mit voller Absicht haben wir es so gemacht, wie es gelaufen ist. Was auch immer alle anderen darüber denken mögen. Damit hat die Dorfgemeinschaft genug zu reden und alles andere bleibt eine Sache zwischen mir und Stella. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“
    „Doch durchaus. Was heißt ‚klar gemacht’? Hast du Judith etwas getan?“
    Er ließ die Arme sinken. Seine Hände umgriffen die Kante der Arbeitsplatte und an seinen weiß verfärbten Knöcheln wurde seine Anspannung offenbar. Er lachte höhnisch auf. „Was glaubst du? Meinst du, es hätte gereicht, Judith höflich zu bitten, ihre Verfolgung und ihre Mordanschläge zu unterlassen?“
    „Was hast du ihr getan?“ Es kostete Alexandra Mühe, die Worte ihrer Frage auszusprechen. Er schwieg. Die Angst, über das, was er erzählen würde, lähmte ihren Blick und schnürte ihr die Luft ab. Aber sie musste es wissen. Seine Haltung war noch immer angespannt. Sein Blick war auf den Küchenboden gerichtet und er sagte nichts. Alexandra fühlte die Übelkeit, die ihren ganzen Körper erfasste. Sie zitterte vor Anstrengung und Schwäche.
    Wieder fragte sie ihn: „Was hast du ihr getan?“
    Die Stille hing zwischen ihnen. Von draußen war der Lärm einer befahrenen Straße zu hören und es hatte heftig zu regnen begonnen. Dicke Tropfen rannen am Küchenfenster entlang. Und diese unendliche Stille, die in der Küche zwischen ihnen herrschte, war wie eine fette, undurchdringliche Blase. Leise, mit spröder Stimme sagte Alexandra: „Bitte Hannes. Ich muss es wissen. Was hast du ihr getan?“
    Er sah sie endlich an und gab sich einen Ruck. „Du schwörst mir, dass du niemals mit jemandem darüber sprichst? Nicht mit Caro. Nicht mit Stella. Und nach diesem Gespräch hier, nie wieder mit mir?“ Hart fasste er sie an den Armen. „Dieses Gespräch hat es nie gegeben!“ Sein Blick war ruhelos und finster zugleich.
    Regungslos stand sie vor ihm und erwiderte mit erwachendem Zorn seinen Blick. Scharfzüngig flüsterte sie: „Auf was soll ich schwören? Auf die Bibel? Tut mir leid, habe gerade keine da!“
    Der aufkeimende Zorn und besorgte Erwartung dessen, was er ihr erzählen würde, ließ ihre Übelkeit schlagartig verschwinden. Ihr Herz klopfte laut und hastig und sie fühlte sich hilflos, ängstlich und wütend zu gleichen Teilen.
    „Lass endlich diesen blöden Scheiß mit der Heimlichtuerei, Hannes, und sag mir einfach, was du mit Judith gemacht hast!“
    Er schüttelte sie rau. „Ich meine das sehr ernst! Versprich mir, dass du mit niemandem darüber redest.“
    „Okay“, Alexandra nickte ergeben. „Ich finde es albern, aber ich verspreche es. Also?“
    Er ließ sie los. „Ich war in ihrem Haus. Ich habe sie nicht körperlich bedrängt, aber ich habe sie gezwungen, ihre gesamte Einrichtung zu zerstören. Alles. Wirklich alles. Es gibt keine Erinnerung, kein Schmuck, kein Buch, kein Bild, kein Möbelstück in ihrem Haus, das noch heil ist. Es gibt kein unzerschlagenes Glas, keine Tasse, kein Waschbecken, keine Toilette, nichts mehr. Und wenn ich zerstören sage, dann meine ich zerstören.“
    Tonlos fragte Alexandra: „Wie? Wie konntest du sie dazu zwingen?“
    Er seufzte und rieb sich das Gesicht. Zögernd sagte er: „Ich habe ihr Angst gemacht. Richtig Angst.“
    Alexandra ließ sich verstört auf den Stuhl zurücksinken. Erneut herrschte Stille in der Küche. Ungläubig fragte sie nach.
    „Wie? Ich kann mir nicht vorstellen, dass du ihr derartig Angst machen konntest. Sie war so ... sie war doch so abgebrüht.“
    „Nein? Du kannst es dir nicht vorstellen?“
    Seine Stimme klang gefährlich nach zu Harsch gefrorenem Wasser. Dieser Klang jagte ihr Schauer über die Haut und sie fragte sich im gleichen Moment, ob sie sich nicht ein falsches Bild von Hannes gemacht hatte. Seine eisige Stimmlage und seine
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