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Rheingau-Roulette

Rheingau-Roulette

Titel: Rheingau-Roulette
Autoren: Sia Wolf
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Dass ich sie gezwungen hätte, abzutreiben oder dass sie das Kind zur Adoption freigeben musste. Den Rest kennst du ja schon.“ Er ließ den Kopf müde in Alexandras Schoß sinken.
    „Wieso hast du ihr die Geschichte mit ihrem Vater und der Axt geglaubt, wenn alles andere immer gelogen war?“ In ihrer rauen Stimme klangen Zweifel durch.
    Hannes hob den Kopf. Sein Blick war prüfend.
    „Hast du Angst vor mir?“
    Alexandra schüttelte langsam den Kopf. Nein, Angst hatte sie nicht. Oder doch? Vielleicht war es eher Unsicherheit über seine abrupten Stimmungswechsel, die sie in den vergangenen Wochen mehrfach bemerkt hatte - und die sie nicht einschätzen konnte.
    „Ich habe es ihr geglaubt, weil ich es gesehen habe.“ Hannes nahm den Faden wieder auf.
    „Was hast du gesehen?“
    „Ihre Angst. Ich habe ihre Angst gesehen. Wir hatten meinen Bruder in Bremen besucht. Er hatte einen Kamin und hat dafür im Garten Holz gehackt. Sie fiel um vor Angst, als er uns zur Begrüßung mit der Axt in der Hand entgegenkam. Wir mussten damals den Notarzt holen.“
    Sie schwiegen. Die undurchdringliche Blase, die noch vor wenigen Minuten den Raum beherrschte, änderte ihren Zustand. Es schien, als habe sich die Vermischung aus Verdächtigungen, Ängsten und Vermutungen übereinander in Luft aufgelöst. Hannes stand auf und reckte sich. Sein Körper, der eben noch müde, schlapp und zermürbt vor ihren Knien hockte, bekam Spannung und Dynamik. Als ob es ein anderer Mann wäre, dachte Alexandra. Er zog sie vom Stuhl hoch.
    „Alex, das war´s. Mehr gibt es zum Thema Judith, Stella und mir nicht zu sagen. Das war das letzte Gespräch, das ich über diese Nacht führe. Und ...“, seine Stimme bekam einen unnachsichtigen Klang und Strenge machte sich in seinem Gesicht breit, „wenn es jemals hart auf hart kommen sollte, dann schwört Stella bezüglich jener Nacht jeden Eid für mich. Genauso, wie ich für sie.“
    Alexandra nickte stumm. Ja, die Botschaft hatte sie verstanden. Franks Tod hatte eine Verbindung zwischen den beiden geschaffen, die sie jahrelang nicht hatten. Er würde sich zeit seines Lebens für Stella und ihre Kinder verantwortlich fühlen. Und Stella würde für Hannes jeden Eid schwören. Und diesem blonden Engel, der so schwer vom Schicksal getroffen war, würde man jede Aussage glauben. Genauso, wie sie jetzt ihm glauben wollte. Die Darstellung der Nacht und die Gründe, warum er den Eindruck erwecken wollte, eine Affäre mit Stella zu haben, waren plausibel.
    Aber alle seine Erklärungen waren nur ein Teil ihrer Sorge. Zusammen genommen lösten sie ihre Probleme noch immer nicht. Nicht das Problem der ungeklärten Vaterschaft ihres Kindes und nicht das Problem, dass sie sich in einen Mann verliebt hatte, der ihr zu gleichen Teilen Unsicherheit und Vertrauen einflößte. Ein Umstand, der sicherlich auch einen Teil des Reizes ausmachte, wie sie sich selbst berichtigte. Ein Mann, der viele Unwägbarkeiten mit sich brachte mit einer Vergangenheit, über die sie nicht viel wusste. Und das, was sie wusste, war nicht beruhigend.
    Hannes zupfte an ihren Locken. „Hallo, jemand zu Hause? Wo bist du mit deinen Gedanken?“
    Alexandra schluckte. Sollte sie ihm von Thessmann erzählen? Dicht stand er vor ihr. Er hatte die Hand aus ihren Haaren sinken lassen und wartete. Wartete auf eine Reaktion von ihr, eine Antwort, irgendetwas, das die Situation auflöste. Und ihrem Kopf drehte sich alles um die Frage: „Soll ich ihm von Thessmann erzählen?“
    Das Räuspern im Hintergrund drang erst nach einiger Zeit in ihr Bewusstsein. Sie wusste nicht, wie lange sie schon so stumm voreinander standen, sie mussten das Glöckchen der Eingangstür überhört haben. Im Flur stand Thessmann und starrte sie finster an.
    „Ich glaube, wir drei haben etwas zu besprechen. Oder sollte ich besser sagen, wir vier?“
    Hannes drehte sich überrascht zu Thessmann um.
    „Hallo Harald!“
    Dann zog die Erkenntnis über das Gesagte blitzartig über seine Miene. Er trat einen Schritt von Alexandra zurück, steckte die Hände in die Hosentasche und sein Blick wanderte spöttisch zwischen ihr und Thessmann hin und her. Niemand sagte etwas.
    „So ist das also.“
    Hannes Stimme war so kühl und so spöttisch wie sein Blick. Einen Moment lang war Alexandra versucht, Erklärungen zu geben, aber dann brach ihr Zorn durch. Der Zorn über diese beiden Männer, die sie in diese Situation gebracht hatten. Nein, sie musste sich korrigieren. Sie hatte es
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