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Rettungskreuzer Ikarus Band 020 - Sankt Salusa

Rettungskreuzer Ikarus Band 020 - Sankt Salusa

Titel: Rettungskreuzer Ikarus Band 020 - Sankt Salusa
Autoren: Dirk van den Boom
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gerechnet hatte. Nichts war gekommen. Plötzlich
hatte Thorpa eine leere Stelle in sich ausgemacht, oder nein, so leer war sie
nicht: angefüllt mit anderem, vielleicht Ernüchterung, vielleicht
eine simple Desillusionierung, die Klärung von Dingen, die auf Träumen
und Konzepten basierten, die von der Realität verdrängt worden waren.
Sollte das Allerheiligste der galaktischen Religion ihn nicht mit Verzückung
erfüllen? Die Aussicht, in das Zentrum des Glaubens vordringen und mit
den höchsten Vertretern der Alten Völker sprechen zu dürfen?
Thorpa suchte und suchte und fand weder die Ehrfurcht, noch die Vorfreude, noch
simple Erwartung. Er fand die Neugierde, die ihn schon seit je her angetrieben
hatte, und er fand die Hoffnung, zu lernen. Er fand den brennenden Wunsch, Antworten
auf Fragen zu finden und einen Sinn im Tode vieler Wesen erkennen zu können
– allen voran Milton Losians. Doch er würde diese Wünsche mit
klarem Verstand verfolgen, nicht geblendet von dem Schirm an Mystizismus und
Ehrfurcht, den seine Erziehung um die Kirche gewoben hatte.
    Schließlich, als er mit einem Greifzweig über das wohlstrukturierte
Leder des Einbandes fuhr, war Thorpa zu der Überzeugung gekommen, dass
er seinen Glauben verloren hatte. Sofort korrigierte er sich. Nicht seinen Glauben, diesen Glauben.
    Er würde einen neuen finden müssen.
    Vielleicht würde er dafür ja einen Anhaltspunkt auf Sankt Salusa finden.
    Doch im Grunde bezweifelte er das.

    Prior Solanas Decorian, Vertreter der Diözese Multimperium III, war kein
unwichtiger Mann. Er wirkte zwar so – wie die meisten Thuriner war er ein
schlankes, unscheinbar wirkendes Wesen mit fragilem Körperbau und einer
blassen, fast durchsichtigen Haut –, aber der Eindruck täuschte. Decorians
Diözese war die zweitgrößte der 26 innerhalb des Multimperiums,
sie trug nicht unwesentlich zur finanziellen Ausstattung der Gesamtkirche bei,
und sie hatte in der Vergangenheit mit Decorians Vorvorgänger sogar einen
Erzprior gestellt. Wie fast alle hohen Geistlichen innerhalb des Multimperiums
war auch Decorian ein Mitglied der imperialen Großfamilie, weitläufig
mit einem der wichtigen Adelsgeschlechter verwandt und damit eine Führungspersönlichkeit,
deren Einfluss über die engeren Aufgaben seines Amtes deutlich hinausging.
Decorians Position war noch eine besondere: Er war der Beichtvater des Kaisers,
sein persönlicher Vertrauter und ein guter Freund Ercilars seit ihrer gemeinsamen
Kindheit. Seine Stimme hatte im Kreise der obersten Entscheidungsgremien der
Kirche Gewicht, und obgleich er sich nur zu wichtigen Anlässen – wie
der derzeitigen Situation – nach Sankt Salusa begab, wurde er auch bei
Abwesenheit immer gefragt. Decorians Ehrgeiz, zumindest, was seine persönliche
Karriere betraf, war nicht befriedigt. Er wollte selbstverständlich Erzprior
werden, zog es keinesfalls vor, seine Fäden aus dem Hintergrund zu ziehen,
gefiel sich nicht in der verborgenen Rolle der Grauen Eminenz. Das entsprach
durchaus den Plänen seines engsten Verbündeten und Fürsprechers
außerhalb der Kirche: des jungen Kronprinzen Joran, dessen Vision eines
die bekannte Galaxis umspannenden Multimperiums er teilte. Er verband sie mit
seiner eigenen Vision: Der einer dieses Imperium umfassenden Galaktischen Kirche,
die als die einzige den Glauben repräsentierende Institution keine anderen,
vor allem häretische und ketzerische Auffassungen neben sich dulden würde.
Und Prior Decorian gedachte bei der Definition dessen, was unter Häresie
und Ketzerei zu verstehen sei, ein gewichtiges Wort mitzureden.
    Doch in diesem Augenblick beschäftigten ihn andere Probleme. Die codierte
Hyperfunknachricht, die er von Persephone erhalten hatte, bereitete ihm nicht
unerhebliche Sorgen. Er blickte auf dem Bildschirm seines wuchtigen Schreibtisches
und kniff die ohnehin schon schmalen Lippen aufeinander, so dass sie fast unsichtbar
waren. Im Grunde war der Inhalt der Nachricht nicht überraschend –
er hatte gewusst, dass dies früher oder später geschehen würde
– aber jetzt, zu einem Zeitpunkt, da der Erzprior in einem Koma lag, das
nach Decorians wohl verborgener Überzeugung direkt mit dem zu tun hatte,
was im Heiligen Sanctuarium vor sich ging, war es einfach ... schlechtes Timing.
    Decorian seufzte und löschte die Nachricht.
    Es half nichts, er musste etwas tun. Außerdem war er ja
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