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Rettungskreuzer Ikarus Band 020 - Sankt Salusa

Rettungskreuzer Ikarus Band 020 - Sankt Salusa

Titel: Rettungskreuzer Ikarus Band 020 - Sankt Salusa
Autoren: Dirk van den Boom
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1.
     
    Als Uhul das Staubhaus verließ, begann der That und der feine Regen aus
Sand und Staub legte sich als bleierner Schleier über die Hügel der
Stadt Jenangar. Uhul richtete das Echtauge auf den hohen Glockenturm und versuchte,
die Uhrzeit zu erkennen. Der That war stark zu dieser Jahreszeit, und obgleich
sich die Landgilde über das hohe Maß an Feuchtigkeit sehr freute,
das er mit sich brachte, erschwerte er nicht nur die Sicht, er machte auch das
Atmen mühsam. Es war kurz vor Mittag. Uhul trat auf die Straße hinaus,
wich einem mühsam dahinholpernden Karren aus und bemühte sich, auf
dem schlammig werdenden Untergrund nicht auszurutschen. Sein Weg führte
ihn über den Marktplatz bis hin zum Sitz des Priors, an dessen Mauern die
farbenfrohen Wandmalereien schon wieder verblasst waren.
    Uhul machte sich eine mentale Notiz, denn es war seine Aufgabe als Erster Staubdiener,
die Frondienste der Gläubigen richtig einzuteilen, und er würde sich
solche mit etwas Geschick aussuchen müssen, die in der kommenden Fronzeit
die Wandmalereien auszubessern hatten – am besten noch bevor der Prior
ihn sanft tadelnd darauf ansprach.
    Das Gebäude war nicht nur das größte, es fiel auch architektonisch
aus dem Rahmen. Es bestand nicht aus gebrannten Lehmklötzen, war nicht
mit Ziegeln oder gepresstem Stroh gedeckt, die Türen bestanden nicht aus
Pulbaholz. Das Gebäude war ein Werk der Alten Völker, es bewies seine
göttliche Herkunft allein durch seine Existenz. Der Prior selbst beschrieb
sein Domizil meist auch nur mit blumigen Worten, Uhul vermutete stark, dass
er damit die Unfähigkeit verbarg, dessen Wunder richtig zu erklären.
Der Prior war ein tiefgläubiger Mann, und Uhul respektierte ihn sehr, aber
in diesem Fall wäre es ihm lieber, wenn er gar nichts sagte. Als Erster
Staubdiener war Uhul ein praktisch orientierter Geistlicher, der jenseits seiner
spirituellen Überzeugungen aus einem ausgesprochen pragmatischen Interesse
von der Magie des Domizils fasziniert war. Nur vor dem Großen Schrein
endete auch Uhuls Neugierde.
    Erst recht zu einem Zeitpunkt, an dem die Große Prozession bevorstand.
    Uhul verwarf den Gedanken an dieses Ereignis sofort wieder. Es war ein Ritual,
über das sich der Staubdiener nur ungern Gedanken machte. Zwei Prozessionen
hatte er bereits miterlebt, und obwohl die gesamte Stadt dem Ereignis bereits
jetzt entgegen fieberte, erinnerte sich Uhul im Grunde nur an das schale Gefühl
der Enttäuschung, das er beim ersten Mal empfunden hatte. Die zweite Prozession
hatte er nur noch mit gespielter Ehrfurcht durchlitten, was dem Prior hoffentlich
nicht aufgefallen war. Zumindest war Uhul nie darauf angesprochen worden, und
die Tatsache, dass er ansonsten ein fähiger und engagierter Staubdiener
war, mochte dazu beigetragen haben, dass seine Glaubensfestigkeit nie in Frage
gestellt worden war.
    Im Endeffekt, so hatte sich Uhul gedacht, war auch der Prior ein pragmatischer
Mann. Sein getreuer Diener hoffte, dass sich dieser Wesenszug erhalten möge,
wenn auch für den Prior im kommenden Frühjahr der Wechsel anstand
und er nach der Kokonphase zur Frau werden würde. Uhul war auf den weiblichen
Prior ausgesprochen gespannt, es war dessen erste Kokonphase, und der Staubdiener
erahnte die Nervosität seines Vorgesetzten bereits jetzt. Doch erst kam
die Prozession, exakt der Grund, weshalb Uhul zwei Stunden im Staubhaus zugebracht
hatte. Nun musste er berichten.
    Uhul betrat die Residenz in demütiger Haltung, die Falschaugen nach unten
gerichtet. Der Prior würde zu dieser Zeit im Reflektorium sitzen und die
Strahlen der Mittagssonne auf den glänzenden Flächen betrachten, alles
in der Hoffnung, darin Zeichen der Alten Völker zu erkennen. Uhul vermutete,
dass das Reflektorium einem ganz anderen Zweck diente – so, wie sich die
Glanzplatten dem Verlauf der Sonne in ihrer Ausrichtung anpassten. Doch solche
Vermutungen grenzten an Häresie, und der treue Staubdiener behielt sie
wohlweislich für sich. Schließlich zahlte die Kirche seinen Lebensunterhalt.
    Uhul durchquerte das Audienzzimmer, in dem normalerweise viele Gläubige
auf einen Termin beim Prior warteten, meist nur, um sich aufgrund einer bestimmten
Problemlage einen Segen abzuholen. Heute war der schlichte Raum mit seinen Holzbänken
verwaist, denn so kurz vor der Prozession machte sich niemand mehr die Mühe,
den Prior
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