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Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)

Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)
Autoren: Marianne de Pierres
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legte etwas auf ihre Zunge, das prickelte. »Ich habe eine von den Kugeln zurückgehalten. Nur für den Fall.«
    Sie schmeckte bitteren Kaffee. Fast im selben Augenblick ließ der Schmerz plötzlich nach und es war, als würde sich eine Ader voller Energie in ihr öffnen. Blinzelnd setzte sie sich auf.
    Das einzige Licht in der dunklen Vorhalle von Danskoi waren die schimmernden Bänder der Leaguaner, die verzweifelt versuchten, die Tür mit den schweren Kirchenbänken zu verbarrikadieren.
    »Sind wir drinnen?«
    »Die anderen Gangs kamen von hinten nach. Ihre Fackeln haben die Nachtwesen lange genug vertrieben, sodass wir uns alle hier herein retten konnten.«
    »Welche Gangs?«
    »Die Wings und die Freeks.«
    »Kero? Krista-belle?« Ihr Blick wanderte suchend durch das Gedränge, doch er fand nur Eve, Joel, Charlonge und Suki auf der anderen Seite der Vorhalle, die die Tür aufstemmen wollten, die sie vom Hauptschiff trennte.
    »Du blutest«, sagte Markes.
    Naif blickte auf ihren Knöchel. Die Wunde war aufgeplatzt, und Blut sickerte heraus. Trotzdem fühlte sie sich wie abgetrennt von dem Schmerz.
    Er löste das Tuch um seinen Hals und band es um ihren Knöchel. »Was du da draußen getan hast, ist entweder das Dümmste, das ich je erlebt habe, oder das Mutigste.«
    »Ich … ich wusste, dass sie aufhören und mir zuhören würden. Sie interessieren sich für uns. Und wir brauchten noch ein bisschen mehr Zeit – für Rollo, um die Tür aufzubekommen. Joel und Eve konnten sie nicht fernhalten.«
    Staunend schüttelte Markes den Kopf. »Wenn Eve dir etwas befiehlt, will man es einfach tun. Und die Art, wie sie kämpft.«
    Naif konnte ihm nicht widersprechen. Sie rappelte sich auf und humpelte zur Seitenwand der Vorhalle. Zwischen den Säulen fand sie den schmalen Durchgang zur Treppe, die hoch zur Galerie führte. Sie stieg sie hinauf.
    Markes folgte ihr. »Ich meine«, er geriet ins Stocken, »was du getan hast, war auch echt toll. Es ist nur, dass sie das tut, woran sie glaubt – immer.«
    Naif blieb stehen und drehte sich zu ihm um. »Und ich nicht?«
    Ihre Frage schien ihn zu verblüffen. »K-keine Ahnung. Mir kommt es eher so vor, als würdest du nicht wissen, an was du glaubst. Erst bist du auf Lenoirs Seite, dann wieder auf der der League.«
    »Na ja … und was ist mit dir? Was willst du?«
    Er hob die Schultern und schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
    Naif ging weiter. Jetzt war nicht die Zeit für solche Gespräche. Jetzt lasteten andere Dinge auf ihr, zogen sie an.
    So wie die Galerie.
    Sie war breiter als die in Agios, doch vollgestellt mit schweren Holzmöbeln, die normalerweise unten im Hauptschiff standen. Sie kletterte auf einen Tisch und schob ein paar Stühle zur Seite, um zum Geländer zu kommen. Aber dann hielt sie plötzlich inne.
    »Markes!«
    Er musste den Schreck in ihrer Stimme gehört haben, denn nun rutschte er eilig über den Tisch und neben sie.
    »Was denn?«
    Eigenartige fliegende Kugeln beleuchteten das unter ihnen liegende Hauptschiff. Wie Levia-Fliegen schwebten sie über unzähligen Reihen von Himmelbetten. Zwischen den Betten führte ein Wirrwarr von Schläuchen entlang, als würden sie sie verbinden.
    »Was macht ihr hier oben?«, rief Rollo von der Treppe herüber. Als sie nicht antworteten, kam er zu ihnen geklettert.
    »Ich habe euch hier raufgehen sehen. Naif, wo hast du … ach, du Scheiße …« Er lehnte sich so weit über das Geländer, dass Naif Angst bekam, er könnte fallen.
    »Was denkst du, ist das?«, flüsterte sie.
    Er schüttelte den Kopf. »Sieht aus wie eine Art … Destille für Lava?«
    »Lava?«, sagte Markes. »Aber wozu sind dann all die Betten?«
    »Nicht für Lava«, sagte Rollo. Er zeigte auf die Gestalten, die mit verschlungenen Gliedern auf den Betten lagen. »Für Menschen.«

26
    »Das ist doch Quatsch«, sagte Markes.
    Doch Naif kletterte zwischen den gestapelten Stühlen hindurch auf den Wandschrank zu, in dem sie die Kirchenferngläser vermutete. Und tatsächlich fand sich ein verbogenes Paar darin. Sie hastete zu Markes und Rollo zurück und drehte mit zitternden Fingern an dem Fokusrad.
    »Lass mich mal sehen«, sagte Rollo ungeduldig.
    »Warte!« Sie stützte die Gläser auf dem Geländer ab. Jedes Mal, wenn sie die Blickrichtung änderte, sah sie einen ande ren Ausschnitt des Gesamtbildes. Zuerst ein Mädchen, irgen deines, aber so jung wie sie oder Suki oder Charlonge, das reglos auf einem Bett lag. Sie wirkte friedlich.
    Dann
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