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Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)

Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)
Autoren: Marianne de Pierres
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herunterlehnen konnte. »Sag mir, warum die Nachtwesen gerade mich für Leystes Tod verantwortlich machen?«
    Seine Miene änderte sich. Wieder sah sie die Traurigkeit, fühlte, dass sie sich wie Schneefall auf sie legte. »Weil ich einer von ihnen bin, und die Ihren töten sie nicht. Auch einen Gewandelten, der sich an ihnen vergangen hat. Deswegen müssen sie dir die Schuld geben«, sagte er leise. Er nahm ihre Hand und küsste sie, allerdings auf eine verzweifelte Art.
    Naif war verwirrt. Ihr schwirrte der Kopf. Lenoir hatte gelogen. Oder nicht? Wenn die Nachtwesen die Maxer auf irgendeine Weise dazu benutzten, um sich in Riper zu verwandeln, dann konnte es für Lenoir vielleicht tatsächlich so sein, dass sie an einen besseren Ort gingen.
    Aber sie hatte keine Gelegenheit mehr, ihn das zu fragen. Die Plattform ruckte höher, als sich die Seile wieder aufwickelten, und entzog sie so seinem Griff.
    »Naif«, rief Rollo.
    »Finde Suki«, rief sie zurück. »Finde sie für mich, Rollo.«
    Ruzalia wartete am Fenster der Kabine. Ihre Augen waren hinter den dunklen Gläsern ihrer Brille nicht zu sehen. Das dicke, rote Haar – dieselbe Farbe wie Rollos – war im Nacken wie ein Seil geknotet.
    »Bring den da zum Heiler«, befahl sie und steckte sich eine brennende Zigarre zwischen die Lippen.
    Ein ernst dreinblickendes Mädchen in einer leichten Rüstung half Markes durch eine Trennwand am anderen Ende der Kabine.
    Rauch auspustend sank Ruzalia in einen breiten Armsessel und bedeutete Naif und Charlonge, sich ihr gegenüber zu setzen. »Welche von euch beiden ist denn jetzt die Ursache für all den Ärger?«
    »Ich«, sagte Naif ohne Umschweife. »Die Riper sind gespalten, weil Lenoir eines der Nachtwesen getötet hat, um mich zu beschützen.«
    Ruzalia beugte sich vor. »Du? Wie faszinierend. Warum sollte der Anführer der Wächter so etwas tun?«
    Naif hielt Ruzalias durchdringendem Blick stand. »Das ist jetzt nicht wichtig. Ich habe eine Nachricht von Eve und Clash für dich. Wir haben gesehen, was in Danskoi geschieht. Die Riper benutzen die Maxer, um neue Nachtwesen zu erschaffen.«
    Verärgert schlug sich Ruzalia auf den Schenkel. »Danskoi. Die ganze Zeit direkt unter meiner Nase. Ich wusste, dass da was Perverses vor sich ging, aber ich hatte keine Beweise.«
    Die drei blickten aus Ruzalias Sichtfenster, als die Levia-Fliegen da draußen jetzt auch die Kugeln mit Lichtstrahlen befeuerten. Die Kugeln entzündeten sich und fielen wie glühende Kometen zu Boden. In ihrem verlöschenden Licht konnte Naif sehen, wie noch mehr Riper in metallenen Wagen von Los Fien hoch nach Danskoi schwärmten, zu Lenoir und den anderen.
    Dann zog der Zeppelin höher und schwang davon.
    Der Schmerz, Ixion verlassen zu müssen, ließ für einen kurzen Moment nach, als sie fasziniert zusah, wie sich die Leuchtspuren mit dem hellen Funkeln der Clubs und der majestätischen Kirchen vermischten.
    »Festhalten«, sagte Ruzalia.
    Der Zeppelin hob sich wieder, dieses Mal so schnell, dass ihr war, als würde ihr Magen außerhalb ihres Körpers rutschen. Sie packte den Sessel, drückte die Stirn an die Fensterscheibe und schluckte kräftig gegen das unangenehme Gefühl an. Unter ihr und über ihr war nichts als Dunkelheit und die schwindenden Lichter von Ixion.
    Wohin fahren wir in dieser endlosen Nacht?
    Ruzalia lehnte sich vor und ließ jeweils eine durchsichtige Maske in ihren und Charlonges Schoß fallen. »Schnell. Zieht das auf.«
    Charlonge gehorchte sofort, Naif dagegen starrte die Maske argwöhnisch an.
    Doch schon einen Augenblick später, als es mit einem Schlag taghell war und Ruzalias Gelächter in ihren Ohren dröhnte, kniff sie die Augen zu und tastete danach. Sie wartete, bis der Schmerz in den Augen nachließ, und erst dann wagte sie es, sie wieder zu öffnen und durch den Filter der Maske nach draußen zu blicken.
    Der Himmel und das Wasser leuchteten so intensiv, dass es schwer war, das eine vom anderen zu unterscheiden, und für einen Augenblick fragte sie sich tatsächlich, ob sie wohl kopfüber fuhren. Dann aber sah sie eine Reihe von kleinen grünen Flächen – offenbar eine Inselgruppe, die ganz so aussah, als hätte die Hand eines Riesen sie über den Ozean gestreut.
    Das Licht und die Farben – das war nun wirklich zu viel für sie. Sie schloss die Augen und lehnte sich im Sessel zurück. Neben ihr weinte Charlonge vor Trauer und Erleichterung.
    Da legte sich auf einmal ihre Verwirrung, und ein Gedanke nahm Gestalt
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