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Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)

Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)
Autoren: Marianne de Pierres
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und der Wind aus der Nacht gesogen worden.
    Auf ein lautes Kommando Eves hin sprangen die Leaguaner hoch und nahmen in Kampfposition Aufstellung: die Knie gebeugt, im Abstand von einer Armeslänge, die jämmerlichen Waffen gezückt. Sie sahen aus wie Kinder, die ein Spiel spielten, dachte Naif, nicht wie Krieger.
    »Bei der Versammlung erwähnte Brand, dass einer der Ihren ein Nachtwesen namens Leyste getötet hatte.« Naif senkte die Stimme zu einem Flüstern, doch selbst das erschien ihr in der dichter werdenden Dunkelheit noch zu laut.
    »Ein Riper hat ein Nachtwesen getötet? Ist das wahr?«
    Naif nickte wieder.
    »Warum sollten wir irgendetwas von dem, was du sagst, glauben?«, wollte Eve wissen.
    »Eve!«, sagte Joel warnend. »Meine Schwester ist vielleicht eine Plage, aber sie lügt nicht.«
    Eine Plage! Am liebsten hätte Naif ihn geohrfeigt. Seit wann war ihr Bruder so überheblich? Oder war er schon immer so gewesen? So selbstgerecht und wütend?
    Sie hob das Bein, damit er ihren blau angelaufenen, blutenden Knöchel sehen konnte. »Ist das Beweis genug? Leyste – ein Nachtwesen – hat mich verfolgt. Er hat mich vor Agios angegriffen, nachdem du, Joel, mich einfach stehen gelassen hattest.« Sie versuchte, nicht vorwurfsvoll zu klingen.
    Eve kniete sich hin, um die Wunde in Augenschein zu nehmen. »Das sieht wirklich so aus, als könnte es von einem von ihnen stammen. Unter dem frischen Blut ist noch eine ältere Verletzung. Wie hast du dich befreien können?«
    »Lenoir hat es getötet …«
    Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, wollte sie sie auch schon wieder ungesagt machen. Nicht nur wegen der Gesichter, die Eve und Joel jetzt zogen, sondern weil sich in der Dunkelheit um sie herum ein Heulen erhob, das ihr das Mark in den Knochen gefrieren ließ.
    Joel schob sie zwischen sich und Eve und zog sein Schwert.
    »Eve?«, fragte er.
    »Vorwärts!«, bellte Eve.
    Die Leaguaner kamen zu ihnen gerannt, immer zwei nebeneinander und darauf bedacht, sich innerhalb der Grenzen des engen Pfades zu halten. Als sie Eve und Joel erreichten, schlängelte sich ein monströs langer Arm mit einer Klaue aus der Dunkelheit und begann Cloffie, den Anführer der Kolonne, aus dem Licht zu ziehen. Naif konnte die seltsamen Windungen entlang des Muskels und auch die dicken Venen erkennen, in denen das Blut pulsierte.
    Einige Leaguaner stürzten heran und hackten darauf ein, doch der Klaue schienen die Schläge nichts auszumachen.
    »Clash!«, rief Eve.
    Mit schwingendem Schwert näherte sich Joel dem Nachtwesen, die Leaguaner traten zurück, und Joel ließ das Schwert mit beiden Händen niedersausen. Dann zog er die Klinge heraus und schwang sie erneut, während sich auf seinem Gesicht ein so brutaler, konzentrierter Ausdruck abzeichnete, dass Naif ihn kaum wiedererkannte. Doch in seiner kalten Wut erkannte sie ihren Vater. Dieses Mal trennte der Schlag die Klaue vom Arm. Blut spritzte auf.
    Als Joel die Hand nach dem gestürzten Leaguaner ausstreckte, wurde das Heulen lauter, und alle Lampen auf dem Weg nach Danskoi erloschen.
    »In die Kathedrale«, brüllte Eve über das Getöse hinweg. Sie warf eine Leuchtrakete vor sie auf den Weg, dessen fluoreszierendes Licht die Nachtwesen auseinandertrieb. »Lauft!«, schrie sie. »Lauft!«
    Zusammen mit den Leaguanern hastete Naif bergauf. Erst verlor sie Joel aus dem Blick, doch dann entdeckte sie ihn bei Charlonge. Auf dem letzten steilen Stück zur Kathedrale hinauf war Markes einen Moment lang neben ihr.
    Im Licht der Laterne bei der Tür hatte sich bereits ein kleines Grüppchen von Leaguanern gesammelt. Zwei von ihnen versuchten sie aufzubrechen, während die anderen nach Angreifern Ausschau hielten.
    Eve ließ eine weitere Rakete los, als die größere Gruppe zu der kleineren stieß, und alle drängten sich vor dem Eingang zusammen.
    »Bericht!«, rief Eve.
    »Das Holz ist zu dick für eine Axt«, rief der Junge zurück, der sich mit einem behelfsmäßigen Hammer und einer Art Brechstange über das Schloss beugte.
    Naif erkannte die Stimme und schob sich näher, um einen Blick auf ihn zu erhaschen. »Rollo!«, rief sie.
    Er sah kurz zu ihr hoch, Erstaunen und Erleichterung zeichneten sich auf seinem Gesicht ab, dann bohrte er weiter in dem Schloss.
    »Platz!« Die Leaguaner teilten sich, um Eve zur Tür vorzulassen. Sie kniete sich neben Rollo. »Öffne es«, befahl sie ruhig und bestimmt. »Das war meine letzte Leuchtrakete. Wir können sie nicht mehr
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