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Requiem fuer einen Henker

Requiem fuer einen Henker

Titel: Requiem fuer einen Henker
Autoren: Jacques Berndorf
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hocken wirst wie auf einem Thron. Oder bist du schwindelig?«
    »Nein, ich habe nur Schiss.«
    »Ich auch, langsam jetzt. Die Nadel ist etwas mehr links, an der Krüppeleiche vorbei. Vorsicht, stehen bleiben. Siehst du? Da unten werden wir sein. Pjotr glaubt, dass Reimer und Strahl aus dem Steilhang gegenüber kommen werden.«
    Der Steinbruch lag im silbrigen Mondlicht unter uns wie eine kitschige Filmkulisse.
    »Und wo soll ich mich genau postieren?«
    »Du musst über den Spalt zur Nadel rüber. Aufpassen! So ist es gut. Schieb den Schnee weg und leg dich hin. Wie gefällt dir das?« Ich war mit ihr hinübergestiegen. Mein Herz klopfte ganz schön.
    »Für jemand mit Mut ist das ideal«, sagte sie ziemlich kleinlaut.
    »Jetzt das Seil«, sagte ich. Ich legte ihr die starke Nylonschnur wie einen doppelt gekreuzten Hosenträger um und verknotete sie um ihre Taille. Die Gegenseite schlang ich um einen soliden Eichenstamm jenseits des Spaltes.
    »Ich werde jetzt gehen. Bist du okay?«
    »Und was mache ich, wenn ich vor Angst ohnmächtig werde?«
    »Ohnmächtig bleiben. Du bist übrigens die tapferste Baronin, die ich je kannte.«
    Sie warf mir eine Kusshand zu. Dann kauerte sie sich hin und begann die Kameratasche auszupacken.
    Ich nahm den gleichen Weg zurück. Auf einmal konnte ich wieder gut verstehen, warum ein Kind pfeift, wenn es Angst in der Dunkelheit hat.
    Pjotr saß am Schreibtisch und machte sich Notizen. »Ihre Freundin hat sehr viel Mut. Irgendetwas Auffallendes?«
    »Nichts. Wann gehen wir?«
    »Wir fahren. Um zwei.«
    »Sie haben das alles schon sehr lange geplant, nicht wahr?«
    »Selbstverständlich.« Er lächelte unverbindlich.
    »Gibt es in Moskau auch einen Henker?«
    »Wir haben die Todesstrafe nicht abgeschafft. Ob wir allerdings jemanden wie Lewandowski hatten, weiß ich nicht. Höchstwahrscheinlich. Jetzt vermutlich nicht mehr.«
    »Wann kommt dieser Lawruschka?«
    »Er wird zum Steinbruch kommen. Er ist ein scheuer Mann.«
    »Wollen Sie sich noch etwas auf die Couch legen?«
    »Ich bleibe bei dem Sessel.« Er schaffte es tatsächlich, in kürzester Frist einzuschlafen. Ich verstand nicht, wie er so entspannt sein konnte.
    Gegen ein Uhr kam Wind auf; der Himmel war jetzt dicht bezogen. Sobald der Wind nachließ, würde es schneien. Ich spielte mit Krümel und den Jungen, horchte in die Nacht und dachte an die Baronin.
    Ich weckte Pjotr kurz vor zwei, und er war auf der Stelle hellwach.
    »Ich möchte, dass wir aus Richtung Kerpen anfahren.«
    Wir machten uns nicht die geringste Mühe, unauffällig zu sein. Ich fuhr von der Bundesstraße in den Ackerweg, der hinauf zum Steinbruch führt, und parkte den Wagen am Einlass auf die unterste Sohle.
    Pjotr hatte zwei kleine, viereckige Scheinwerfer mitgenommen. Wir stellten sie etwa sechs Meter voneinander entfernt auf. In der Mitte lag ein großer Basaltbrocken, auf den wir den Waffenkoffer legten. Dann schlossen wir die Strahler an und probierten sie aus. Sie gaben ein angenehmes Licht, nicht zu grell, aber sehr stark.
    »Sehr gut. Wir hocken hier wie auf dem Präsentierteller. Lassen Sie die Scheinwerfer noch einen Moment brennen.«
    »Warum denn? Die Batterien halten nicht…«
    »Damit die Frau Baronin das Licht messen kann«, sagte er.
    »Machen Sie solche Treffs oft?«, fragte ich verblüfft.
    »Um Gottes willen, nein. Ich komme mir bei derartigen Ritualen lächerlich vor, obwohl solch eine Art, sich zu treffen, Zeugen ausschließt. Eigentlich kann niemand mogeln.« Er lächelte. »Da schreit ein Käuzchen.« Dann schaltete er die Scheinwerfer aus.
    »Kein Käuzchen, eine Schleiereule. Wir haben hier zwei Pärchen.«
    Jetzt herrschte wieder Stille, bis auf die vielen natürlichen Geräusche ringsum, die immer lauter wurden. Die Wände des Steinbruchs schienen näher zu rücken.
    »Wenn mich meine Nase nicht trügt, fängt es gleich an zu schneien.«
    »Wird es viel Schnee geben?«
    »Ich glaube nicht, der Wind steht nicht so. Können die Verstärkung mitbringen?«
    »Niemals.«
    Über uns war ein deutliches Scharren zu hören, Rotwild wahrscheinlich. Eine Wildtaube gurrte im Schlaf. Um drei Uhr schaltete Pjotr die Scheinwerfer ein.
    »Wo bleibt Lawruschka?«
    »Wahrscheinlich ist er längst da.« Jetzt war es eindeutig. »Links am Hang ist wer«, flüsterte ich.
    Er zeigte keine Reaktion, wandte auch nicht den Kopf. Er sagte nur gelassen: »Na also.«
    Irgendwie hatte Reimer es geschafft, durch die dicht stehenden Stangenbuchen zu kommen, die
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