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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
Autoren: Marianne Reuther
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Theke, dafür ein finsterer, einarmiger Typ, der im Moment telefonierte. Edmund entdeckte zwischen den Bodenvasen voller Schnittblumen einen Kübel mit langstieligen Rosen, die das bunte Blumenmeer überragten. Er hörte den Einarmigen ins Telefon sagen: „Ja, es hat funktioniert. Soll ich jetzt gleich …? Okay, habe verstanden. Melde mich.“ Er legte auf, ging auf Edmund zu und fragte:
    „Kann ich Ihnen helfen?“
    „Danke, ich komme schon zurecht. Ich suche mir von diesen Rosen die fünf schönsten aus, wenn Sie gestatten.“
    „Selbstverständlich. Aber hinten im Kabuff sind ganz frische, heute morgen erst geschnitten, die Pernitiana zum Beispiel, mit ihrem betörenden Duft – und auch die … Kommen Sie!“
    Er schritt Edmund eilfertig voraus durch die Hintertür, und als Edmund den Raum betrat, fiel die Türe hinter ihm ins Schloss, der Boden unter ihm kippte und er landete über eine Rutsche direkt in der offenen Kabine eines Fahrstuhls. Noch ehe er sich aufrappeln konnte, schob sich eine Gittertür davor, wobei er noch mitbekam, dass sich oben die Falltür wieder schloss. Der Aufzug raste mit ihm in die Tiefe. Gleichzeitig wallte süßlicher Duft an ihm hoch, der ihm den Atem nahm. Als der Lift mit einem Ruck stoppte, die Gittertür sich zur Seite schob, stolperte er hustend aus diesem Käfig und schnappte gierig nach Luft. Der Aufzug hinter ihm schoss in die Höhe und eine Stimme rief:
     
    Willkommen in Repuestos
     
    Edmund, wie vom Blitz getroffen, sah sich verstört um. Er konnte den Lautsprecher in dem weiß lackierten Kabinett nicht ausmachen. Von den Wänden hallte das Echo seines Herzschlags wider und von der Decke strahlte grelles Licht. Ihn fröstelte und er schwitzte und er gewahrte vor sich eine Tür, drückte benommen die Klinke herunter. Sie ließ sich öffnen. Vor ihm war ein schmaler, in indirektes Licht getauchter Gang. Zögernd trat er ein. Träumte er oder hatte er den Verstand verloren? Nach wenigen Schritten gelangte er in einen großen Raum. Wände und Fußboden blau-weiß gekachelt, die Decke weiß gekalkt. Es roch nach Chlor und Lavendelwasser. Und wieder war da diese Stimme:
     
    Sie entkleiden sich jetzt und begeben sich
    in das gläserne Separee linker Hand.
     
    Edmund gehorchte, von Angst überwältigt. Sein Körper bebte. Vor das „Separee“ schob sich eine Glaswand, er stand in einer Duschkabine. Aus den Wänden, von der Decke und vom Fußboden her zischte ihn warmes Seifenwasser aus Hunderten von Düsen an, dem klares Warmwasser folgte, bis ihn schließlich warme Luft von Kopf bis Fuß trocken blies. Die Glaswand schob sich zurück.
     
    Nun steigen Sie in die grüne Badewanne!
     
    Die stand gegenüber der Duschkabine. Kleider, Ausweis, Telefon und Portemonnaie waren verschwunden. Jasminduft erfüllte den Raum. Edmund überkam leichter Schwindel. Er lehnte sich an die Wand, nahm seinen Kopf in die Hände und drückte die Fingerspitzen gegen die Schläfen. Die grüne Wanne war mit gelber Flüssigkeit gefüllt. Sein Körper gehorchte nicht seinem Willen, sondern der fremden Stimme und tauchte ein. Nach kurzer Zeit zog die Flüssigkeit ab und es regnete klares Wasser auf ihn herab. Ein dünner Strahl Neugier stahl sich staunend durch die Angst.
     
    Verlassen Sie die Wanne, frottieren Sie sich
    trocken und kleiden Sie sich an.
     
    Über einer Stange vor der gegenüberliegenden Wand hingen Badetuch und Bademantel, weiß-blau gestreift, darunter, auf einem Lattenrost, ein weißer Overall mit weiten Ärmeln, weiße Socken, blaue Sandalen. Edmund frottierte sich trocken, zog die Sachen an – sie passten wie maßgeschneidert.
     
    Ihr Weg führt nun durch die blaue Tür.
     
    Unwirklich das alles – sein Kopf fühlte sich an wie ein Wattebausch –, er ging somnambul auf diese Tür zu, die sich am Ende des Raumes vor ihm öffnete. Sein Herz raste, er wollte schreien und brachte keinen Ton heraus. Er wusste jetzt, dass er nicht träumte, dass alles betäubende Wirklichkeit war, und schritt durch die Tür, auf alles gefasst: auf Höllenfeuer, Folterkammer, Löwen- oder Schlangengrube – auf ein Nobelrestaurant nicht. Festlich gedeckte Tische, zur Hälfte eingenommen von ernst dreinschauenden Männern und Frauen in weißen Overalls. Golden schimmernde Kronleuchter. Weiß lackierte Stühle, blau gepolstert. Blau-weiß gefliester Fußboden, der Saal durch die Decke aus Milchglas tageslichtgleich beleuchtet. Ernste Mienen. Gedämpftes Murmeln. Kellner in weißen Hosen und
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