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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
Autoren: Marianne Reuther
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Sie hatten in Ferdinands Bistro einander ihre verzweifelte Lage beklagt.
    „Edmund Konrad! Mein Gott, Sie ebenfalls hier. Wissen Sie, aus welchem Grund?“
    Edmund nickte. „Ich werde in wenigen Minuten einem amerikanischen Rennfahrer mein linkes Bein spenden. Sein Körper wird es vermutlich abstoßen wie die vorangegangenen x-Mal.“
    „Ich sehe, es stört dich nicht. Mich der Verlust meines Armes ebenfalls nicht. Kurios, wie ich so neben mir stehe.“
    „Bevor man aus der Narkose aufwacht, bekommt man noch einmal eine Ladung von dem Zeug in die Adern. Und später immer dann, wenn man es nötig hat. Großzügig, nicht?“
    Die beiden Pfleger gönnten ihnen die kleine Unterhaltung, doch sie mussten weiter. Edmund drehte seinen Kopf zur Seite, um dem Gefährt nachzusehen.
    „Mach‘s gut, Jochen Jacobson.“
    „Bis bald, Edmund Konrad, auf der Pflegestation. Vielleicht kommen wir in dasselbe Zimmer. Spätestens sehen wir uns in der Reha.“
    Wohl nicht, wusste Edmund. Er erinnerte sich an Gerds Worte vor nicht allzu langer Zeit: Ein Bein zu verlieren, ist schlimm, doch das Leben, viel schlimmer. Oder so ähnlich. Er verlor nun beides nacheinander.
     
    Dr. Wulf kam zurück. Er lächelte ihm aufmunternd zu. Zwei Pflegerinnen entblößten seinen Unterkörper und bedeckten sein linkes Bein und den Kopf mit einem grünen Leinentuch. Der Arzt zeichnete mit einem Stift einen Ring um das Bein, etwa zehn Zentimeter oberhalb des Knies und sah Professor Hellwig fragend an. Der nickte und zog höchstpersönlich das Injektionsbesteck auf, setzte es an Edmunds Arm an und sagte: „Sie bekommen jetzt erst mal ein Mittel zur Erholung.“
    Nebel hielt Einzug in seinen Kopf. Eine himmlische Melodie begleitete ihn durch sommerliche Wiesen mit wilden Blumen, von Bienen umsummt und an kristallklaren Bächen entlang. Der wiegende Rhythmus ließ ihn die Sonne auf seiner Haut spüren – ein lang vergessenes Glücksgefühl durchdrang seinen Körper. Es verebbte stufenlos mit dem Ausklingen der Harfenklänge. Edmund schwebte zwischen Wachen und Schlafen, nahm seine Umgebung erst schemenhaft und gleich darauf deutlich wahr.
    „Sobald die Melodie verklingt, erwachen Sie erfrischt, dann befasst sich Dr. Ammon, der Anästhesist, mit Ihnen und die Dinge nehmen ihren Lauf. Ich weiß, dass Sie all dem aufgeschlossen gegenüberstehen, und dafür danke ich Gott.“
     
    Edmund war nicht klar, wie das zu verstehen war, und er wusste nicht, zu wem die Stimme gehörte. Leichter Nebel hielt Einzug in sein Hirn und sein letzter bewusster Gedanke galt der Verwunderung über sein Einverständnis mit allem, was hier geschah. Eine Gestalt ragte hoch neben ihm auf: Dr. Ammon. Der Anästhesist lächelte ihn an, strich die Haare aus seiner Stirn und sagte: „Dr. Wulf beginnt in dreißig Minuten. Schließen Sie die Augen.“
     
     
     
     
     
    ***
     
     
     
    Raabe begrüßte Reinfeld hocherfreut. „Ich glaubte schon, Sie hätten bei all der Aufregung die Einladung vergessen – ach, und wen haben wir denn da? Mein lieber Rehbein, so schnell aus Polen zurück! Konnten Sie von der alten Dame etwas erfahren?“
    „Er hat eine Fotografie mitgebracht, die ihre Enkelin zusammen mit Duda zeigt“, sagte Reinfeld.
    Raabe fiel aus allen Wolken.
    „Was?? Was haben Sie gesagt?“
    Rehbein fischte den Ausdruck aus der Mappe und zeigte ihn Raabe.
    Der Hauptkommissar brach in Begeisterung aus: „Das ist ja ...! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll! Das ist fantastisch! Mehr, als ich zu hoffen wagte. Vielleicht der Anfang vom Ende! Ich veranlasse sofort die Fahndung!“
    „Nicht nötig“, sagte Reinfeld, „schaun Sie sich das Foto genau an.“
    Er nahm Hans das Blatt aus der Hand, sah drauf und stutzte – führte es näher zu seinem Gesicht – traute seinen Augen nicht, schüttelte den Kopf, nahm seine Brille aus der Brusttasche, guckte gebannt durch die Gläser.
     
    „Donnerwetter!“
     
    Der Kriminalhauptkommissar betupfte seine Stirn mit einem großen Taschentuch und fuhr sich damit zwischen Genick und Kragen.
    „Kommt mit mir, schnell!“
    Sie folgten ihm, er eilte mit großen Schritten durch das Stimmengewirr hindurch auf die Flügeltür an der Südwand zu. Die Besucher standen grüppchenweise mit Kennermienen vor den Bildern, Marion war in ein Gespräch mit Professor Ullrichstein vertieft und niemandem fiel auf, dass der Kriminalhauptkommissar sich mit zwei Besuchern absentierte.
     
    Sie gelangten in einen breiten Flur. Rechts war die
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