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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
Autoren: Marianne Reuther
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löschen! Auch nicht, verflixt! Erst ausdrucken, Herrgott noch mal!“, brüllte er, dass es von den Wänden widerhallte, er war außer Rand und Band. Der Drucker spuckte Dudas Konterfei aus, Frau Schröder kam gesprungen: „Was ist los, um Himmels willen!“
    „Es ist alles in Ordnung, wir fangen Duda, kommen Sie, Rehbein, los jetzt!“
    Hans sprintete im Dauerlauf hinter Reinfeld her, an der perplexen Sekretärin vorbei, und stopfte dabei den Ausdruck in seine Aktenmappe. Sie rannten über den Flur zum Aufzug, der zum Glück noch oben war. Hoffentlich lässt er mich in dieser Verfassung ans Steuer, wünschte Hans und fragte sich, wen der Chef auf dem Foto erkannt hatte. Ihm sagte dieses Gesicht nichts und es erinnerte ihn an niemanden. Doch der Chef war momentan nicht von dieser Welt, jedenfalls beantwortete er Rehbeins Frage nicht, sondern sah nur durch ihn hindurch. Gottlob stieg er geistesabwesend auf der Beifahrerseite ein, und ob er unterwegs Rehbeins Bericht, wie es zu der Aufnahme gekommen war, wirklich aufnahm, war nicht zu ergründen.
     
    Die Vernissage war eröffnet und alles vertreten, vom Straßenanzug bis zur festlichen Abendgarderobe, vom karierten Holzfällerhemd bis zum frechen Minirock. Die Besucher waren in hoher Zahl erschienen. Sie umstanden die lange Theke mit Apfelwein, Salzbrezeln und Kümmelstangen. Marion glühte vor Freude und Aufregung. Horst legte seinen Arm um ihre Schultern und drückte sie sanft. Ereignisse wie diese zählten zu Marions Sternstunden, die er gern mit ihr teilte. Alle blickten gespannt auf Dr. Leitmeier, den Initiator und Veranstalter der Ausstellung, der sich jetzt mit einer Messingglocke Gehör verschaffte. Der Raum wurde still, nur das Quietschen der Eingangstür war zu hören, durch die die beiden Detektive hereinschlüpften. Leitmeier verneigte sich und begann:
    „Meine sehr verehrten Gäste, liebe Freunde, ich begrüße Sie sehr herzlich an diesem Freitagabend zur Eröffnung der Ausstellung von Meisterwerken unserer hochgeschätzten Künstlerin Marion Raabe. Aus jedem Pinselstrich spricht die Liebe der Malerin zu unserer Stadt. Das soll auch schon mein Schlusswort sein. Für den kleinen Hunger und Durst ist gesorgt. Die Ausstellung ist hiermit eröffnet.“
    Er stieg vom Podium herunter, dem Applaus entgegen und gesellte sich einer kleinen Gruppe zu, die sich bewundernd vor Marions „Goetheturm im Morgennebel“ versammelte. Viele Besucher defilierten an den Bilderreihen entlang, um sich zunächst einen Überblick zu verschaffen. Professor Ullrichstein kam auf die Raabes zu, entführte Marion ihrem Mann mit charmanter Floskel und bat sie um ein persönliches Statement zu ihrem Bild „Die sieben in der Wetterfahne“, als Kokos Detektive sich einen Weg zum Hauptkommissar bahnten.
     
     
     
     
     
    ***
     
     
    Die Betriebsschützer setzten die Trage vorsichtig mit dem angegurteten Edmund ab, schoben das Fahrgestell aus dem Raum und machten die Tür hinter sich zu. Er schlug die Augen auf. Statt Furcht und Panik, schierer Fatalismus. Das war‘s dann wohl. Zu weiteren Überlegungen reichte es nicht. Über ihm die weiße Decke. Eine OP-Lampe in der Größe eines Wagenrades mit unzähligen Facetten hing herunter. Durch eine zweite, nur angelehnte Tür hörte er zwei Männer miteinander sprechen, und als einer der beiden mit erhobener Stimme ungehalten erwiderte: „Ja, aber doch erst hinterher! Haben Sie keine Augen im Kopf? Schaun Sie sich die Anweisung genau an!“, verstand er jedes Wort. Und weil es Dr.Wulf war, der das gesagt hatte, begriff Edmund, dass seiner Konservierung die Amputation vorangehen sollte, die festgelegt und vertraglich vereinbart war. Er befand sich also noch nicht in der Konservierung, sondern erst mal in der Chirurgie.
     
    „Dies hier“, Dr. Wulf, der jetzt neben Edmund am OP-Tisch stand, hob die Ampulle hoch, köpfte sie und zog den Inhalt mit der Injektionsspritze auf, „dient noch nicht der Betäubung, sondern erst der Beruhigung.“
    Als ob er noch einen Funken Unruhe verspürte!
    „Epikur 254“, sagte Edmund lakonisch.
    Wulf wusste, dass sich das längst im Kamp herumgesprochen hatte. Er injizierte die Flüssigkeit und eilte aus dem Zimmer. Darauf öffnete sich die Tür des Aufwachraums nebenan und zwei Pfleger schoben ein Bett mit einem frisch Armamputierten herein.
    „Jochen Jacobson!“ Der Maschinenbau-Ingenieur aus Edmunds erster Woche in Repuestos – für Jacobson war das damals die letzte Woche in West gewesen.
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