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Renegade

Renegade

Titel: Renegade
Autoren: J. A. Souders
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Es ist jetzt
so still wie in einem Grab.
    Einige Sekunden
vergehen, doch die Vollstreckerin bleibt schweigend und wachsam am Rand der
Schatten stehen. Irgendwie muss die eisige Spannung im Raum gelöst werden. Da
die Bürger sich an mir orientieren, muss ich ihnen ein Vorbild sein und mein
Unbehagen runterschlucken. Ich hole tief Luft und zwinge mich zu einem Lächeln.
    Â»Leg einfach deine
Hand auf das Display«, ich werfe der Vollstreckerin noch einen kurzen Blick zu,
»vielleicht handelt es sich ja um einen Fehler in den Aufzeichnungen.«
    Der Mann reißt den
Blick von der Vollstreckerin los, nickt knapp und legt die Hand auf den
Bildschirm. Als der Computer piept, kontrolliere ich die neuen Informationen,
runzele dann aber verwirrt die Stirn. Laut seiner Akte ist der Mann
alleinstehend, er wurde nie verpaart. Im vergangenen Jahr ging zwar ein Antrag
auf Verpaarung ein, doch die betreffende Frau, eine gewisse Renee Whise, starb
noch während der Tests aus unbekannten Gründen. Traurigerweise kann selbst
Mutters Genomkombinationsprogramm nicht verhindern, dass gewisse Anomalien
auftreten. Diese Renee war offenbar zu schwach für die Fortpflanzung.
    Als mir klar wird,
was geschehen ist, bricht mir das Herz. Ich wünschte, Mutter wäre hier, um mir
zu helfen, aber das ist sie nun einmal nicht. Deshalb beschließe ich, dem
Bürger die Neuigkeit schonend beizubringen.
    Â»Es tut mir leid«,
sage ich leise, »aber laut deiner Akte ist Renee letztes Jahr gestorben. Ich
bedauere deinen Verlust zutiefst.«
    Die Wartenden werden
unruhig, und jemand hustet kurz, während der Mann mich verwirrt anstarrt. Die
Bürger unterhalten sich leise, die Ungeduldigsten unter ihnen scheinen wütend
zu sein. Wie taktlos , denke ich. Es ist schließlich
nicht seine Schuld, sein gebrochenes Herz verwirrt seinen Verstand.
    Â»Ruhe, bitte!«, sage
ich streng, und sofort wird es wieder still. Die gerade noch aufgebrachten
Bürger starren nach einem kurzen Blick auf die Vollstreckerin zu Boden.
    Â»Das ist nicht
wahr«, erklärt der Mann vor mir nun so leise, dass ich ihn kaum verstehen kann.
»Gestern Morgen waren wir noch zusammen. Wir haben gemeinsam auf dem Großen
Platz gefrühstückt, so wie jeden Morgen.«
    Â»Es tut mir leid,
Bürger.«
    Er blickt wieder zu
mir hoch, doch nun brennt Zorn in seinen Augen. »Sie ist nicht tot. Dein
Computer irrt sich.«
    Die Vollstreckerin
tritt vor, und sofort ist es wieder totenstill im Raum, und mir läuft ein
eisiger Schauer über den Rücken.
    Â»Die Totenscheine
werden von Mutter selbst verwaltet … «
    Â»Dann irrt sich
Mutter!« Der Mann macht einen Schritt auf mich zu, ihm laufen Tränen über die
Wangen.
    Â»Hüte deine Zunge,
Bürger!«, rufe ich laut, bereue es aber sofort. Die Tochter des Volkes darf
niemals die Contenance verlieren.
    Die Vollstreckerin
behält mich genau im Blick; offenbar will sie abwarten, wie ich mit der
Situation umgehe, doch irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass ich ihren
Erwartungen nicht gerecht werde. Und dass ihr diese Tatsache Freude bereitet.
Das macht mir mehr Angst, als ich zugeben möchte, aber ich versuche, den
schweren Klumpen in meinem Hals herunterzuschlucken. Mit einer Geste fordere
ich den Mann auf, näher zu kommen. »Wenn das deine Meinung ist, wirst du mit
Mutter sprechen müssen.«
    Die Wache will den
Mann abführen, doch die Vollstreckerin ist schneller. Sie tritt vor mich und
sieht mir, anders als ein respektvoller Bürger, direkt ins Gesicht, bevor sie
den Kopf neigt. Weder ihre kalten blauen Augen noch der starre Mund zeigen die
geringste Regung.
    Â»Ich werde ihn zu
Mutter bringen, Miss. Die Wache wird hier gebraucht, an deiner Seite.« Sie hat
eine leise, atemlose Stimme, die eigentlich nicht Furcht einflößender sein
dürfte als die Marienkäfer in meinem Garten, doch ich bekomme Gänsehaut davon.
Ich nicke kurz, woraufhin das Mädchen den Mann am Arm packt.
    Â»Nein«, flüstert
der. In seinem Blick flackert eine seltsame Erkenntnis auf, auch wenn er keinen
Widerstand leistet, als die junge Vollstreckerin ihn zu der Tür zu meiner
Rechten zieht und mit ihm verschwindet.
    Mit einem schnellen
Seitenblick versuche ich herauszufinden, ob eine andere Vollstreckerin
Veronicas Platz eingenommen hat, doch es ist zwecklos. Es würde mir ja doch
nicht gelingen, sie zu entdecken.
    Immer noch
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