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Renegade

Renegade

Titel: Renegade
Autoren: J. A. Souders
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meinen Tablet- PC brauche. »Was ist
deine momentane Berufung, Alice?«
    Â»Kinderbetreuung.«
    Ich nehme das Tablet
von der Wache entgegen, lege die Hand auf den Bildschirm und warte, bis der Computer
meine Fingerabdrücke erkannt hat. »Wurdest du schon zur Fortpflanzung
zugelassen?«
    Â»Ja, Miss Evelyn«,
antwortet sie. Ich strecke ihr den Bildschirm hin, und sie legt ihre Hand
darauf.
    Anschließend nehme
ich mir ein paar Minuten Zeit, um ihre Akte zu lesen, die mir ein anerkennendes
Nicken entlockt. Sie ist eine hervorragende Fortpflanzungskandidatin.
    Nachdem ich auch die
Akte des Mannes überprüft habe, erteile ich ihnen eine vorläufige Verpaarungslizenz,
abhängig von den Ergebnissen der genetischen Untersuchungen, und schicke die
beiden in den medizinischen Sektor. Ihnen bleiben nun zwei Wochen Zeit, um die
notwendigen Tests zu machen, dann müssen sie bei Mutter vorstellig werden – sie
allein fällt die endgültige Entscheidung darüber, ob sie sich verpaaren dürfen
oder nicht.
    Ihre Nervosität ist
deutlich zu sehen, aber nach allem, was ich ihren Akten entnehmen konnte,
müssen sich die beiden keine Sorgen machen. Mutter wird ihnen sicher gerne ihre
endgültige Zustimmung geben.
    Die nächsten
Antragsteller gehen problemlos durch, sie fragen nach dem Üblichen: Ob Mutter
bitte ein Neugeborenes besuchen und ihm ihren Segen erteilen könnte? Höhere
Bezüge und größere Wohnquartiere für werdende Eltern von Zwillingen. Ich
vermerke den Geburtstermin der Kinder in Mutters Kalender, damit eine Feier
arrangiert werden kann. Zwillinge sind so selten, dass sie den Anlass bestimmt
würdigen will. Und die Eltern eines kleinen Mädchens sprechen vor mit der
liebenswerten Bitte, ob die Kleine meinen Garten besichtigen dürfe.
    Das alles wird von
Mutter genehmigt werden müssen, aber ich zweifle nicht daran, dass sie ihre
Zustimmung erteilen wird. Besonders die Bitte des kleinen Mädchens. Mutter mag
mein humanitäres Engagement.
    Der sechste
Antragsteller tritt aus der Schlange vor mich hin, und ich frage ihn lächelnd
nach seinem Wunsch. Seine Hände zittern, doch er neigt den Kopf und sagt mit
bebender Stimme: »Ich möchte wissen, was mit meiner Frau geschehen ist.«
    Â»Wie bitte?«
Sicherlich habe ich ihn falsch verstanden.
    Â»Ich möchte wissen,
was mit meiner Frau geschehen ist.« Mit geröteten Augen sieht er mich an. »Sie
war nicht zu Hause, als ich gestern von der Arbeit gekommen bin. Ich habe schon
überall nach ihr gesucht.«
    Â»Name?«, frage ich
und halte den Computer bereit.
    Â»Renee Davis.«
    Verwirrt durchsuche
ich die Bevölkerungsliste. »Kannst du das buchstabieren?«, bitte ich den Mann.
Was er auch tut, doch auf meinem Display taucht trotzdem niemand mit diesem
Namen auf. Er sieht mich immer noch durchdringend an, mit einer Mischung aus
Schmerz und Hoffnung im Blick. »So wie es aussieht, kann ich niemanden mit
diesem Namen lokalisieren«, erkläre ich ihm.
    Aus dem Augenwinkel
bemerke ich, wie eine Vollstreckerin aus den Schatten tritt, und ich
unterdrücke den Schauer, der mich jedes Mal überläuft, wenn ich eine von ihnen
sehe. Wie alle Vollstreckerinnen trägt sie jenes schwarze Kleid mit knielangem
Faltenrock. Die schwarzen Lederstiefel sind so hoch, dass sie unter dem Rock
verschwinden. Ihre Finger sind von langen, schwarzen Handschuhen bedeckt, die
bis zur Mitte des Oberarms reichen, und darüber verbirgt ein Kapuzenmantel
jedes Stück nackte Haut. Ich fand es schon immer seltsam, dass die
Vollstreckerinnen Röcke tragen, doch Mutter ist der Meinung, dass sich eine
Lady stets wie eine Lady kleiden sollte, unabhängig davon, wie ihre Pflichten
geartet sind.
    Die Vollstreckerin
schlägt die Kapuze zurück und präsentiert jene völlig ausdruckslose Miene, die
sie alle perfektioniert haben. Sie ist unter dem Namen Veronica bekannt. Die
Vollstreckerinnen machen mich grundsätzlich nervös, doch sie ist die schlimmste
von allen.
    Ich bin jetzt so
angespannt, dass mein Herz schnell schlägt. Am liebsten würde ich so viel
Abstand wie irgend möglich zwischen sie und mich bringen, selbst wenn ich dafür
aufspringen und weglaufen müsste. Und es geht nicht nur mir so: Die wenigen
Bürger, die noch in der Schlange stehen, sind verstummt und rühren sich nicht
mehr. Sie halten gespannt den Atem an und weichen vor mir zurück.
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