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Rendezvous um Mitternacht

Rendezvous um Mitternacht

Titel: Rendezvous um Mitternacht
Autoren: Victoria Laurie
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batteriebetrieben, damit mir Typen wie er nicht den Stecker rausziehen konnten. Ungehindert fing ich an zu bohren.
    Nein!, schrie er, und dicht neben mir gab es einen ohrenbetäubenden Knall.
    Ich lachte über seine Versuche, mich abzuschrecken. Nachdem ich mit den drei Löchern fertig war, sah ich ihn an. »Jetzt spuckst du keine großen Töne mehr, was?«
    Die Aufmerksamkeit des schwarzen Schattens war vollständig auf die drei Stifte zu meinen Füßen gerichtet. Ich deutete auf das Stück Wand, in das ich die Löcher gebohrt hatte. »Das da ist dein kleines Schlupfloch, oder? Tja, ich sag dir was, Freundchen. So läuft das nicht weiter. Du hast zehn Sekunden, um dich zu entscheiden. Entweder du bleibst hier, dann helfe ich dir, auf die andere Seite zu kommen, wo du dich deinen Taten stellen musst und dafür zur Rechenschaft gezogen wirst. Oder du springst jetzt da rein und bleibst so lange da drinnen gefangen, bis du bereit bist, deinem inneren Schweinehund in die Augen zu sehen und von allein rüberzugehen.«
    Der Schatten schwankte kurz, und einen Sekundenbruchteil lang dachte ich, ich hätte ihn überzeugt, sich von mir helfen zu lassen. Aber ich wurde schwer enttäuscht – dieser miserable Abschaum ging mir doch tatsächlich noch mal an die Titten. Knurrend fuhr ich herum, griff mir die Magnetstifte und steckte den ersten in eines der Löcher. Hinter mir hörte ich deutlich den Aufschrei einer Männerstimme, als ich den Hammer hob, um ihn auf den Stift sausen zu lassen. »Jetzt geht’s um die Wurst, Junge!«, rief ich und hieb zu. Eine Nanosekunde ehe der Hammer auftraf, fühlte ich den Geist durch das Portal sausen, das ich im Begriff war zu schließen. »Angsthase!«, brüllte ich ihm hinterher, während seine Energie in der Wand verschwand.
    Ich hämmerte den Stift gründlich fest und ließ die anderen beiden folgen. Als ich fertig war, trat ich einen Schritt zurück und betrachtete mein Werk. Die Wand sah katastrophal aus, und der Boden war übersät mit Putz und Rigipssplittern, aber zumindest gab es das Portal nicht mehr – das heißt, solange die Stifte an Ort und Stelle blieben.
    Ich steckte Hammer und Bohrer wieder in den Matchsack und eilte zurück in den ersten Stock. Zu meiner immensen Erleichterung schwebte Carolyn noch in der Ecke. »Na, Kleine«, sagte ich beruhigend, während ich behutsam eintrat. »Du hast sicher alles gehört, oder? Er ist weg, Carolyn. Den Kerl, der dir das angetan hat, gibt’s nicht mehr.«
    Ich habe Angst, sagte sie.
    »Ich weiß. Aber vertrau mir: Ich kann dir helfen, das zu ändern. Zuerst musst du mir zeigen, was passiert ist.«
    Ich will nicht …
    »Ich weiß, ich weiß. Aber, Mädel, ich muss es sehen. Wir müssen es beide sehen. Zeig mir nur das Ende, wenn der Anfang und die Mitte zu unerträglich sind. Gib mir Einblick in die letzten Sekunden, bevor dich diese Verlorenheit überkam.«
    Von rechts spürte ich ein Ziehen und sah in die entsprechende Zimmerecke. Dort fand ein Kampf statt. Carolyn war nackt und blutete aus der Nase. Ihr Angreifer beugte sich über sie und drückte ihr die Kehle zu. Ihre Augen waren riesig vor Entsetzen, und sie versuchte, ihm das Gesicht zu zerkratzen. Schon vom Zusehen zog sich mir der Magen zusammen. Das war der unangenehmste Teil meiner Arbeit. Es war immer grässlich, mit ansehen zu müssen, was unschuldige Menschen in diesen letzten schrecklichen Augenblicken durchmachen mussten.
    »Gut, Carolyn«, redete ich ihr zu. Dass ich ihr das nicht ersparen konnte, tat mir bitter leid, aber es war unumgänglich. »Jetzt noch ein bisschen weiter, Liebes. Geh zu dem Moment, nach dem du keine Luft mehr bekamst.«
    Das Bild veränderte sich. Ich sah, wie Carolyns Mörder ihren schlaffen Körper zu Boden fallen ließ. Dann hob er nickartig den Kopf, und ich hörte das schwache Heulen einer Sirene. Im nächsten Augenblick hetzte der Mann aus dem Zimmer und ließ Carolyn einfach liegen.
    »Gut, Liebes«, sagte ich, als sein geisterhaftes Abbild den Raum verlassen hatte. »Das war ganz große Klasse. Jetzt konzentrier dich bitte auf deinen Körper. Siehst du?«
    Ich muss aufstehen!, drängte sie. Ich muss weg!
    »Aber du kannst nicht, oder?«, wandte ich ein. »Du kannst nicht, Carolyn, weil du nicht mehr atmest. Schau!« Ich deutete auf ihre leblose Gestalt. »Dein Körper ist tot, Liebes. Das musst du akzeptieren.«
    Mit einem Mal überkam mich eine abgrundtiefe Traurigkeit, und ich wusste: Carolyn hatte endlich begriffen, dass sie tot
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