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Rendezvous um Mitternacht

Rendezvous um Mitternacht

Titel: Rendezvous um Mitternacht
Autoren: Victoria Laurie
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ein unerwarteter Geschäftsboom. Viele unserer neuen Klienten kamen auf persönliche Empfehlung eines gewissen Arztes, der ein etwas ungewöhnliches Englisch sprach, und wir hatten alle Hände voll zu tun, besonders in den gehobeneren Vororten von Boston.
    Auch wenn ich mit all der Arbeit ziemlich glücklich war, ertappte ich mich immer wieder, wie ich in müßigen Augenblicken an Steven dachte. Seit Gil und ich ihn einmal im Krankenhaus besucht hatten, hatte ich nichts mehr von ihm gehört. Ich vermutete, dass er etwas Zeit brauchte, um mit der Tatsache fertig zu werden, dass er nie mehr würde operieren können. Es war schwer vorzustellen, wie er sich fühlen musste. Teils sehnte ich mich danach, ihm irgendwie etwas Trost zu spenden, und teils war mir klar, dass er allein damit fertig werden musste.
    Eines Nachmittags im Mama Dells, etwa sieben Wochen nachdem wir den Fall Sable abgeschlossen hatten, setzte ich das Teeko auseinander. »Also, deshalb glaube ich, ich sollte besser warten, bevor ich ihn anrufe. Und überhaupt, wahrscheinlich ist er nicht mal zu Hause. Ich würde fast darauf tippen, dass er sogar wieder nach Deutschland gegangen ist.«
    Auf Teekos Gesicht zeichnete sich während all meiner Ausführungen nur ein geduldiges Lächeln ab. »Mhm«, sagte sie und nippte an ihrem Kaffee.
    »Ja. Also ist es die reinste Zeitverschwendung, dass ich über ihn nachdenke und mich frage, was er macht. Ich sollte verdammt noch mal endlich von dieser Sache loskommen.«
    »Was hält dich denn ab?«, fragte sie unaufdringlich.
    Ich starrte ein Weilchen in meine Kaffeetasse. »Es könnte sein, dass ich ihn auf irgendeine blöde, kleine, belanglose Art vermisse.«
    »Belanglos?«
    Ich hob den Blick und sah ihr in die Augen. »Egal. Das alles ist völlig überflüssig, weil Steven sowieso im Ausland ist.«
    »Wirklich? In welchem Ausland soll ich sein?«, sagte da ein weicher Bariton mit fremdem Akzent dicht hinter mir.
    Ich war sprachlos. Aus dem verstohlenen Lächeln auf Teekos Gesicht wurde ein dickes, fettes Grinsen. »Dr. Sable, wie schön, Sie mal wieder zu sehen. M. J. war gerade dabei zu erzählen, wie sehr Sie ihr fehlen. Wollen Sie sich nicht setzen?«, fragte sie.
    »Danke, Karen.« Und Steven setzte sich neben mich und rückte seinen Stuhl ziemlich dicht an meinen heran.
    Ich merkte, wie mir das Blut ins Gesicht stieg, und warf Teeko einen vernichtenden Blick zu, ehe ich mich Steven zuwandte. »Hi«, sagte ich.
    Teeko sah auf ihr völlig uhrloses Handgelenk. »Oh mein Gott! Ich muss unbedingt zu meinem Termin! Würdet ihr beide mich bitte entschuldigen?« Und sie sprang auf, sammelte ihre Sachen ein und eilte davon.
    »Ist das wahr?«, fragte Steven, als sie weg war.
    »Was?«
    »Dass ich dir fehle?«
    Ich lachte gezwungen und beeilte mich, die Sache zu erklären. »Ach, nein! Das hat Karen missverstanden. Ich habe ihr erzählt, dass ich dich knapp verfehlt habe, als ich dich noch mal im Krankenhaus anrufen wollte. Du warst kurz vorher entlassen worden.«
    »Verstehe«, sagte er, aber sein Lächeln machte deutlich, dass er mir das keine Sekunde abnahm.
    Ich drehte das Rührstäbchen zwischen den Fingern und suchte fieberhaft nach einem anderen Thema. Da bemerkte ich, dass seine Hand noch immer dick verbunden war. Mein Herz flog ihm entgegen. »Wie geht’s damit?«, fragte ich und zeigte auf den Verband.
    Steven warf einen Blick darauf. »Es verheilt, und mit der Physiotherapie sollte es wieder ganz gut werden.«
    »Denkst du, dass du wieder in deinem Beruf wirst arbeiten können?«
    Ruhig und lange sah Steven mich an, was mir zeigte, dass er sich mit der Situation abgefunden hatte. »Nein. Aber mir wurde angeboten, als Dozent hier an der Universität zu bleiben, also ist nicht alles verloren.«
    »Oh, fantastisch!«, rief ich glücklich. Dann räusperte ich mich schnell und fügte gedämpfter hinzu: »Dann bleibst du also hier?«
    »Ja. Ich denke, ich werde noch einige Zeit in den USA bleiben. Es gibt ein paar Dinge, die ich hier tun will. Was mich zu etwas ganz anderem führt.« Er griff nach unten und hob eine große Einkaufstüte auf den Tisch.
    »Was ist das?«
    Er schob mir die Tüte hin. »Ein Geschenk.«
    Ich linste lächelnd über den Rand. Darin war ein großes, in rosa Geschenkpapier gehülltes Paket mit einer riesigen Schleife. »Für mich?«
    »Ja. Mach es auf«, drängte er.
    Es war eine brandneue Nachtsichtkamera.
    »Wow!«, sagte ich und beäugte sie von allen Seiten. »Die ist aber
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