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Rendezvous um Mitternacht

Rendezvous um Mitternacht

Titel: Rendezvous um Mitternacht
Autoren: Victoria Laurie
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wegbleiben, bin ich wütend geworden. Aber ich habe nie gewollt, dass sie stirbt!« Mit den Augen flehte sie mich an, ihr zu glauben. »Ich war wütend, und ich wollte ihr einen Denkzettel verpassen, aber es war nicht meine Absicht, ihr etwas Ernstes anzutun!«
    »Wusste Andrew es?«
    Maria senkte den Kopf. »Ja. Er wusste es. Es war ihm klar, als er sie da unten liegen sah. Ich war ziemlich aufbrausend, wissen Sie. Aber er hat es nie laut ausgesprochen … zumindest nicht bis ganz zuletzt. Daher hatte ich mir eingeredet, er hätte keinen Verdacht. Aber dann, ein paar Wochen vor seinem Tod, rief er mich zu sich ins Arbeitszimmer und kam damit heraus. Er sagte, er werde dafür sorgen, dass Willis und Mirabelle versorgt seien, aber mich werde er für meine Arbeit nicht so belohnen, wegen meines Verbrechens. Er werde mir zwar diesen Rentenfonds hinterlassen, aber ich könne nicht erwarten, nach seinem Tod noch Teil dieses Hauses zu bleiben. Damit zog er mich zur Rechenschaft.«
    »Und Sie konnten nicht mit dem Wissen leben, dass ihm klar war, was auf der Treppe wirklich passiert war.«
    »Ich konnte es nicht ertragen. An jenem Morgen, als er plötzlich Porridge wollte, hat er mir erzählt, dass er sogar erwäge, eine andere Haushälterin einzustellen. Er war sehr rücksichtsvoll. Er meinte, ich hätte lange genug für ihn gearbeitet, und vielleicht sei es besser, wenn langsam jemand Jüngeres die Arbeit übernähme.«
    »Das war dann wohl der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte«, sagte ich. »Und Sie sind sofort aufs Dach gestiegen.«
    »Ja.« Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern.
    Mir fiel noch etwas anderes ein. »An dem Morgen, als wir Sie hier trafen, hatten Sie nach diesen Briefen gesucht, oder?« Marias Augen weiteten sich wieder. »Ja. Aber Sie kamen, bevor ich sie aus dem dritten Stock holen konnte. Ich hoffte, dass sie dort sicher wären, aber Sie haben sie doch gefunden.«
    »Deshalb hat Maureen Gilley die Treppe runtergestoßen! Sie war verwirrt und dachte, das seien Sie!«
    »Ihr Freund wurde die Treppe hinuntergestoßen?«, fragte Maria erschrocken.
    »Ja, aber es geht ihm gut, keine Sorge. Als Steven zum ersten Mal im Sommer hier war, ist es Ihnen passiert, nicht? Maureens Geist hat Ihnen an der Treppe einen Schubs gegeben.«
    Sie nickte. »Ja, damals und noch zwei weitere Male, aber da hatte ich mir schon angewöhnt, mich immer gut am Geländer festzuhalten. Ich wusste, dass sie es war. Sie wollte sich an mir rächen.«
    »Erstaunlich, dass Sie trotzdem weiter hier gearbeitet haben.«
    »Ich konnte verstehen, dass sie mir wehtun wollte. Ich hatte es schließlich verdient. Und ich wollte Andrew nahe sein. Ich war immer vorsichtig.«
    »Und heute sind Sie wieder gekommen, um die Briefe zu holen«, schloss ich den Kreis.
    »Ja. Ich habe gesehen, dass Sie und Steven in den Wald gingen. Ich wollte die Briefe holen, bevor Sie zurückkamen.«
    »Und ist das Ihre graue Limousine da draußen? Die neben uns steht?«
    Verwunderung malte sich auf Marias Gesicht. »Nein. Mein Auto steht bei Willis. Ich habe ihm Lebensmittel vorbeigebracht, aber er schien nicht da zu sein, jedenfalls hat er nicht aufgemacht, als ich geklopft habe.«
    In mir zog sich alles zusammen. Einen Augenblick lang überlegte ich, es ihr zu erzählen, entschied mich dann aber, sie erst noch weiter auszuhorchen.
    »Und waren Sie das in der Nacht im Wald, Maria? Und in dem Gang?«
    Maria machte einen völlig ahnungslosen Eindruck. »Im Wald? Ein Gang? Wovon reden Sie?«
    In diesem Moment wurden im Flur wütende Stimmen laut. Steven senior und junior hatten wohl soeben das Haus betreten. Wir brachen die Unterhaltung ab und eilten beide nach vorn. Steven junior schrie gerade seinen Vater an. Er war so aufgebracht, dass sich deutsche und spanische Wörter in die Sätze mischten. Sein Vater betrachtete ihn nur mit einem herablassenden Lächeln – und in diesem Moment sah ich beide im Profil, und wie ein Blitz durchfuhr es mich: die Familienähnlichkeit war unverkennbar. Sie hatten die gleichen Ohren, die gleiche Form des Unterkiefers und den gleichen kleinen Buckel auf dem Nasenrücken. Selbst ihr Haaransatz stimmte von der Seite betrachtet vollkommen überein.
    »Ich frage dich zum letzten Mal«, sagte Steven senior drohend, als Junior geendet hatte. »Wo ist die Urkunde?«
    »Raus aus meinem Haus!«, brüllte Steven. Sein Vater rührte sich nicht von der Stelle. Und da sah ich halb hinter ihm verborgen einen zweiten Mann hereinkommen,
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