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Rendezvous um Mitternacht

Rendezvous um Mitternacht

Titel: Rendezvous um Mitternacht
Autoren: Victoria Laurie
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war.
    »Carolyn, hör mir zu«, bat ich. »Auch wenn dein Körper aufgehört hat zu funktionieren, muss deine Seele ihren Weg weitergehen. Ich kann dir dabei helfen, aber du musst tun, was ich sage. Hör mir gut zu und folge meinen Anweisungen. Dann kommst du hier raus. Okay?«
    Erleichtert fühlte ich dieses mentale Nicken. »Sehr gut. Also, dann will ich, dass du jetzt das strahlend helle Licht spürst, das von oben herabscheint, durch die Decke hindurch genau auf dich. Spürst du es, Carolyn?«
    Ein kurzes Schweigen. Dann: Ja.
    »Super! Das machst du toll!«, lobte ich sie. »Und jetzt will ich, dass du spürst, wie sehr dieses Licht von Wärme erfüllt ist, von Güte, Reinheit und Liebe. Fühlst du das alles, Carolyn?«
    Wieder Schweigen, dann ganz aufgeregt: Ja, ich fühle es!
    »Genial! Also, jetzt sollte vor dir ein Weg sichtbar werden. Kann sein, dass er ein bisschen aussieht wie ein Tunnel; das ist aber von Person zu Person verschieden. Kannst du ihn sehen?«
    Ja. Ich sehe ihn.
    »Klasse. Jetzt will ich, dass du Mut fasst und den Weg betrittst. Er führt tiefer ins Licht, tiefer in die Liebe, die du jetzt schon spürst. Du kannst ihm bedenkenlos folgen, dann wird dir niemand je wieder wehtun.«
    Mit angehaltenem Atem wartete ich, ob Carolyn den nächsten, entscheidenden Schritt tat. Falls sie davor zurückschreckte, würde ich ein andermal wiederkommen müssen, um einen zweiten Überredungsversuch zu starten. Falls sie ihn wagte, wäre alles gut, dann würde sie es problemlos auf die andere Seite schaffen. Schließlich spürte ich so etwas wie Zustimmung von ihr. Ehe sie sich in Bewegung setzte, hörte ich sie klar und deutlich sagen: Richten Sie meinen Eltern aus, dass ich sie liebe. Sagen Sie ihnen, ich kümmere mich um Midnight, und sie sollen sich keine Sorgen um mich machen. Mir geht es gut.
    Ich lächelte erleichtert. »Ich richte es ihnen aus, das verspreche ich. Pass auf dich auf, ja?« Aber sie war schon verschwunden. Im nächsten Moment wurde mir bewusst, dass tiefe Stille herrschte. Ich öffnete die Augen. Das Zimmer war leer; keine Energie befand sich mehr darin außer meiner eigenen. Als ich es mit den Sensoren meiner Intuition abtastete, wirkte es warm und rein und heiter. Lächelnd stand ich auf. Dabei warf ich einen Blick auf meine Armbanduhr und sah, dass ich einen Zahn zulegen sollte. Mein nächster Kunde erwartete mich in etwa einer halben Stunde in meinem Büro.
    Ich stieg die Treppe hinunter, holte den Matchsack und verließ das Haus. Cassandras Auto stand direkt vor dem Eingang. Sie kam mir bis an die Vortreppe entgegen und fragte: »Und? Wie ist es gelaufen?«
    »Wir sind entgeistert!«, trällerte ich. Diesen Satz liebte ich.
    »Sie sind das Problem losgeworden?« Etwas bang blickte sie die Stufen hinauf.
    »Ja. Aber bevor ich fahre, muss ich Ihnen noch ein paar Sachen sagen.«
    »Nur zu«, ermunterte sie mich, kramte in ihrer Handtasche und förderte nach kurzem Suchen ihr Scheckbuch zutage.
    »Carolyn möchte ihren Eltern etwas ausrichten lassen. Sie sagt, sie werde sich um Midnight kümmern und sie sollen sich keine Sorgen machen, es gehe ihr gut.« »Meine Güte!«, hauchte Cassandra.
    »Können Sie damit etwas anfangen?«
    »Ja, sicher! Midnight war die Katze der Kettlemans. Das habe ich mir gemerkt, weil ich selbst ein paar Katzen habe. Mrs Kettleman hat das Tier sehr geliebt. Letzte Woche, als ich sie anrief, um ihr zu sagen, dass es wieder einen Interessenten für das Haus gebe, klang sie so traurig. Ich fragte sie, warum, und sie erzählte mir, dass sie Midnight an diesem Morgen einschläfern lassen musste; bei dem armen Ding hatten die Nieren versagt.«
    »Gut. Dann werden die Kettlemans ganz sicher glauben, dass die Nachricht von ihrer Tochter kommt.«
    Während Cassandra etwas in das Scheckbuch kritzelte, machte ich mit den restlichen Anweisungen weiter. »Außerdem habe ich im Wohnzimmer drei Metallstifte in eine Wand geschlagen …«
    »Sie haben drei was wohin geschlagen?!«, japste Cassandra. Ups. Da hatte ich wohl vergessen, ihr mitzuteilen, dass ich manchmal ein, zwei unabdingliche Änderungen an der Architektur vornehmen musste.
    »Das war absolut notwendig, Cassandra. Wenn nicht, hätten Sie das Haus noch ein paar Jahre in Auftrag gehabt.«
    »Aber warum?«, fragte sie.
    Ich holte Atem und versuchte es zu erklären. »Der Mann, der Carolyn umgebracht hat, ist nach dem Tod auch nicht besser als im Leben. Solche Geister erschaffen sich oft ein Portal zu einer
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