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Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Titel: Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln
Autoren: Die Geiseln
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Mikkos Blick auf Helis kreidebleiches Gesicht, dann schlug die Wagentür zu. Er war fast froh, Helis vor Entsetzen geweitete Augen nicht gesehen zu haben. Der Fahrer gab sofort wieder Gas. Das Auto beschleunigte, machte vor dem Hauptgebäude eine Wendung um 180 Grad, fuhr zur Straße zurück, bog in nördliche Richtung ab und verschwand schließlich hinter dem Fichtenzaun.
    Mikko merkte, wie sehr seine Hände zitterten. Ein Kollege von ihm kam herausgelaufen und sagte etwas, aber Mikko verstand es nicht. Die Stille vor dem Gefängnis hatte etwas Unnatürliches, etwas Bedrohliches. Wo war Laine? Wo waren alle anderen?
    Plötzlich hörte man den Motor eines Wagens anspringen. Hinter dem Materialschuppen kam ein Fahrzeug hervor, das in Richtung Straße fuhr und das Mikko kannte. Es war Atte Salmenperäs roter Golf. Auf dem Beifahrersitz neben Salmenperä saß Laine. Er hatte es gerade noch in den Wagen geschafft, darum war er außer Atem, als er sich jetzt am Handy meldete.
    »Was hat Salmenperä vor, verdammt noch mal?«, tönte Mikko Räsänens wütende Stimme aus dem Telefon.
    »Nichts, was gefährlich werden könnte für...«
    »Red keinen Scheiß! Befiehl ihm anzuhalten.«
    »Ich wollte dich gerade anrufen. Was haben die Serben gesagt? Hast du etwas aus ihnen herausbekommen?«
    »Was ich herausbekommen habe, ist, dass man ihnen nicht folgen darf. Sie haben meine Frau als Geisel, kapierst du das? Sie ist schwanger...«
    »Ich muss aufhören. Ich ruf dich zurück.«
    Laine breitete die Karte auf dem Schoß aus und sagte zu Salmenperä: »Langsamer. Kein Risiko. Sie fahren anscheinend zur Schnellstraße.« »Wenn wir uns zurückfallen lassen, wissen wir nicht, in welcher Richtung sie dort weiterfahren.«
    Laine antwortete nicht, sondern rief den Polizeichef an.
    »Das Fahrzeug befindet sich auf dem Weg zur Schnellstraße«, sagte er und gab das Kennzeichen des Pkw durch. »Sie haben nach wie vor eine Geisel. Kannst du jemanden an die Kreuzung schicken? Wir müssen herausfinden, ob sie nach Osten oder Westen weiterfahren.« 8
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    Vasa Jankovic hielt das Lenkrad des Nissan fest umklammert, als er jäh auf die Schnellstraße in Richtung Osten fuhr. Radovan saß mit einer Maschinenpistole in der Hand neben der Geisel auf dem Rücksitz, der Vater in Sträflingskleidung, die ihn ein wenig hilflos und bedauernswert erscheinen ließ, auf dem Beifahrersitz. Wie anders hatte jener Oberst ausgesehen, den sie in Den Haag zum Schauprozess geschleift hatten, den die so genannten »Richter« mit ihren Lügen zu demütigen versucht hatten!
    Alle im Wagen schwiegen. Hinter einem Wolkenschleier ging die Sonne unter. Vasa blickte in den Rückspiegel und sah die Lichter eines Autos. Wurden sie verfolgt, oder war das der normale Verkehr?
    Während er fuhr, blickte Vasa immer wieder verstohlen auf seinen Vater. Sein Bart und seine Schläfen schienen innerhalb weniger Monate ergraut zu sein. Aber der Blick war der vertraute: fest und unbeugsam. Vasa hatte seinen Vater schon immer verehrt wie einen fernen Helden. Sein Vater kannte ihn nicht richtig, doch jetzt würde Vasa endlich die Gelegenheit erhalten, die falschen Vorstellungen, die der Vater von seinem jüngsten Sohn hatte, zu korrigieren. Das war natürlich nicht im Handumdrehen möglich, aber der Prozess hatte nun begonnen. Sein Vater würde sehen, dass Vasa zu denselben Dingen fähig war wie Radovan. Wenn nicht zu bedeutsameren.
    Mit wenigen Sätzen hatte Vasa seinem Vater den weiteren Plan erklärt. Er hatte ihn zusammen mit Radovan entwickelt. Es war dem älteren Bruder schwergefallen, die Kompetenz des Jüngeren bei der Vorbereitung der Operation anzuerkennen, aber die Wahrheit war, dass Vasa solche Dinge besser beherrschte als Radovan. Als Soldat war Radovan mehr als tüchtig, aber für die Organisation einer Flucht aus dem Gefängnis war Vasas Erfahrung aus drei geglückten Überfällen auf Geldtransporter in Südschweden gefragt. Vasa wartete auf eine Reaktion seines Vaters, aber der Alte schwieg. Der Vater war allerdings auch sonst keiner, der unnötig den Mund aufmachte. Das Gleiche galt für Radovan, der ein Abbild seines Erzeugers war; in Uniform ähnelte er auf geradezu unnatürliche Weise dem Vater als junger Offizier. Auch charakterlich waren sie aus demselben Holz geschnitzt - beziehungsweise aus demselben Stein gehauen: verschlossen, zäh, absolut zuverlässig. Und sie beklagten sich nie, sondern erledigten ohne große Worte ihre Aufgabe.
    Obgleich Vasa nur acht Jahre
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