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Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Titel: Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln
Autoren: Die Geiseln
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sauberes Fahrzeug geben, könnten sie entkommen. Für immer und ewig. Mit der Geisel.«
    »Wenn sie die Manipulation entdecken, tun sie unter Umständen der Geisel etwas an. Sohlman und seine Männer werden jeden Moment hier sein.«
    »Die Geisel ist ihr einziger Strohhalm«, sagte Helste. »Wenn sie entkommen wollen, können sie das Leben der Frau nicht aufs Spiel setzen.«
    »Ich will mit ihnen reden«, sagte Johanna. »Und mit diesem Laine ebenfalls.«
    Helste drückte auf einige Tasten seines Handys. »Hier ist Laines Nummer. Kann besetzt sein. Aber er ist auf jeden Fall auf dem Weg hierher.«
    Johanna speicherte die Nummer in ihrem Handy und rief auf der Stelle an. Es war besetzt.
    Das Warten strapazierte Vasas Nerven. Er hätte am liebsten laut geflucht, beherrschte sich aber. Mit den Fingern gegen das Metall der Maschinenpistole auf seinem Schoß zu trommeln, musste genügen. Sein Vater saß schweigend auf seinem Platz, Radovan ebenso. Vasa sah, wie sie die Umgebung im Auge behielten, obwohl ein Zugriff der Polizei in dieser Phase nicht wahrscheinlich war. Oder würden die Finnen so blöd sein, unter Einsatz von Tränengas zu versuchen, an das Auto heranzukommen?
    Vasa schaute auf den Wald, in dem nicht die geringste Bewegung zu erkennen war. Neben dem Straßenrand verlief ein flacher Graben, auf den wiederum niedriges, zu dieser Jahreszeit unbelaubtes Weidengebüsch folgte. Erst danach, etwa zwanzig Meter vom Wagen entfernt, begann der Wald.
    Die Frau mit den verbundenen Augen änderte auf dem Rücksitz ständig ihre Position und stöhnte gequält. Vasa bereute es, für die Bereitstellung des neuen Fahrzeugs so viel Zeit eingeräumt zu haben. Sie hätten irgendein Fahrzeug in der Nähe verlangen sollen, um der Polizei keine Gelegenheit zu geben, daran herumzupfuschen.
    »Du brauchst keine Angst vor uns zu haben«, hörte Vasa seinen Vater mit warmer Stimme auf Englisch zu der Frau sagen. »Du hältst mich für einen Verbrecher, aber ich bin aufgrund falscher Anschuldigungen verurteilt worden. In Den Haag wird Siegerjustiz betrieben. Meine Frau starb bei Grdelica, in einem Zug, der von einer lasergesteuerten Bombe aus einer Nato-Maschine getroffen wurde. Am helllichten Tag. Zwanzig Menschen starben, fünfzig wurden verletzt. Die Flüchtlingskolonnen auf der Straße zwischen Djakovica und Decane wurden sogar von mehreren Bomben getroffen. Über siebzig Tote und hundert Verletzte. Auch das geschah bei Tageslicht. Die Maschine flog mehrmals über die Menschen hinweg. Ich sah mit eigenen Augen, wie die Streubomben der Nato Frauen und Kinder töteten. Diese Waffen einzusetzen ist ein Kriegsverbrechen. Ebenso wie der Einsatz von Geschossen, die verarmtes Uran enthalten. Aber sie wurden eingesetzt, obwohl man wusste, dass sie Wohngebiete und Kinderspielplätze verseuchten. Trotzdem hat man noch keinen NatoOffizier als Angeklagten in Den Haag gesehen.«
    Vasa blickte über den Rückspiegel auf die Frau, die sich angesichts der an sie gerichteten Worte zu beruhigen schien.
    »Was macht dein Vater beruflich?«, fragte der Oberst.
    Trotz der Lage hätte Vasa fast wegen des beruhigenden Plaudertons gelächelt.
    Zuerst sah es so aus, als würde die Frau nicht antworten, aber dann schien sie nach der richtigen Formulierung zu suchen, und schließlich sagte sie: »He is a construction man. He makes buil-dings.. .« Vasa glaubte, dass sie Bauarbeiter meinte.
    »Ein Facharbeiter«, sagte der Vater. »Macht seine Arbeit, wie es Ausbildung und Erfahrung ihm eingeben. So habe auch ich es getan. Schade, dass ihr hier in Finnland nur eine Wahrheit über unseren Krieg gehört habt. Es ist nicht die einzige Wahrheit.«
    Aufgrund seiner Studien wusste Vasa das nur zu gut. Er hätte gern mit seinem Vater über den Propagandakrieg gesprochen und ihm das Material seiner Examensarbeit gezeigt, doch dafür hatte sich nie eine geeignete Gelegenheit ergeben. Sein Vater wusste von den Raubüberfällen, aber nicht von den wissenschaftlichen Studien. Vasa blickte auf seine Uhr. Die Sekunden krochen dahin, bis zum Ablauf des Ultimatums waren es noch vier Minuten.
    Und wenn die Polizei sich weigerte?
    Der Vater setzte seine Unterhaltung mit der Geisel fort. Kon 16
    takt mit der Frau aufzunehmen war eine zweischneidige Angelegenheit. Einerseits war es wichtig, denn falls sich das Ganze in die Länge zöge, könnte die Sympathie der Frau allmählich auf die Seite ihrer Entführer übergehen. Wären sie aber gezwungen, der Polizei zu demonstrieren,
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