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Reise in die Unterwelt

Reise in die Unterwelt

Titel: Reise in die Unterwelt
Autoren: Michael Shea
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aufgefallen.
    Einige Tage verstrichen, während derer die Gesellschaft nicht schneller als bisher vorankam und die Branntweinzuteilung sogar noch verdoppelt wurde. Cugel, der erst jetzt darauf achtete, bemerkte, daß Verdulga und seine Unterführer, die den anderen immer zuprosteten, um sie zu noch größerem Konsum anzuregen, selbst kaum etwas tranken. Cugel hatte sich Trinkbecher verschafft und machte aus ihrem Boden dreizehn Scheiben von der ungefähren Größe jener, die die Führer unter ihrer Kapuze trugen. Dann wartete er auf seine Chance.
    Am vierten Tag nach seinem Besuch bei dem Beinschnitzer erklärte Verdulga, daß sie nur noch einen Tagesmarsch vor sich hätten, ehe sie ihr Ziel erreichten und in den Besitz der gehorteten Reichtümer der Menschenfresser kämen. Das mußte natürlich gefeiert werden. In einem unbeachteten Augenblick gelang es Cugel, eine Handvoll des Pulvers in das offene Branntweinfaß zu streuen. Den Rest verteilte er unauffällig in die Becher der bereits Angetrunkenen.
    Minuten später schliefen bereits alle Rekruten und wenig später auch Verdulga mit seinen Mannen. Mumber Sull schüttelte den Kopf. »Ist es nicht erstaunlich«, wandte er sich an seinen Lehnsmann, »daß sie heute so wenig vertragen?«
    Cugel ging eilig mit sich zu Rate. Der Than mußte entweder zum Schweigen gebracht oder aber in seinen Plan eingeweiht werden. Er entschloß sich für letzteres. Erstens war der weite Weg zu zweit weniger gefährlich, und zweitens konnte man nie wissen, vielleicht lebte Simbilis tatsächlich noch.
    »Ehrenwerter Than«, wandte er sich an ihn. »Wir befinden uns in den Händen von Räubern oder noch schlimmerem. Ich habe jedoch für unser Entkommen vorgesorgt. Bisher war leider nie eine Gelegenheit, Euch einzuweihen.«
    Mumber Sull starrte ihn mit offenem Mund an, und Cugel berichtete hastig, was er wußte. Dann machte er sich eiligst daran, die Anführer von ihren Kupferkäppchen zu befreien und ihnen statt dessen die aus den Bechern gewonnenen Blechscheiben im Haar zu befestigen. Während er damit beschäftigt war, gelang es ihm, das Gewissen des Thans zu beruhigen und ihn zu überzeugen, daß sie sich nur so retten konnten.
    Zwei der echten Kupferschilde behielt Cugel. Eines half er Sull ins Haar stecken, das andere behielt er für sich. Den Rest warf in einen schäumenden Bergbach. Während er bei Verdulga die Scheiben ausgetauscht hatte, entdeckte er des Thans Skubbastücke und seine gesamten Münzen in zwei Lederbeuteln an des Banditenführers Gürtel. Er hatte keine Skrupel, die Juwelen und das Gold an sich zu nehmen und Verdulgas Beutel dafür mit Steinen zu füllen. Davon erwähnte er Sull gegenüber allerdings nichts.
    Am nächsten Abend, sie waren ihrem Ziel schon sehr nahe und die Rekruten vom Branntwein beschwingt, winkte Trogl dem Lehnsmann zu, ihm unauffällig zu folgen. Sie schlichen etwa eine Viertelmeile zwischen Felsen hindurch. Dann blieb Trogl stehen.
    »Hinter dem nächsten Felsblock warten Eure Reittiere auf Euch. Gebt mir jetzt die versprochene Entschädigung. Ich muß ins Lager zurück, ehe meine Abwesenheit bemerkt wird.«
    Cugel zählte ihm widerspruchslos die Münzen in die ausgestreckte Rechte. Trogl verstaute sie in seinem Beutel und stieß einen schrillen Pfiff aus.
    Der Lehnsmann zog sein Schwert, als etwa ein Dutzend fast durchsichtig bleiche Gestalten hinter den Felsen herbeistürmten. Aber er brauchte es nicht zu benutzen. Trogls Gesicht verlor schnell den triumphierenden Ausdruck, denn statt sich dem anderen zuzuwenden, warfen die Kannibalen sich auf ihn. Er schrie, wehrte sich kurz, und schon war er verschlungen.
    Cugel betrachtete fasziniert die bleichen Gestalten, die sich seiner offenbar überhaupt nicht bewußt waren. Sie hatten kurze Schnauzen mit großen Riechöffnungen, aber ihre Augen waren rudimentär – milchige Beulen unter einer brauenlosen niedrigen Stirn. Gleich nach Beendigung ihres Mahles zogen sie sich zurück. Cugel fischte Trogls Beutel von unter den übriggebliebenen Kleidungsstücken hervor und schlich ins Lager zurück, wo Verdulga eben erklärte, daß seine Unterführer nun jedem einzelnen die Benutzung der Lederriemen an den Umhängen zeigen würden.
    Cugel sah zu, wie Verdulgas Spießgesellen die Riemen so schnallten, daß die Umhänge einen losen Kokon um ihre Träger bildeten, aus denen die Arme durch eine Öffnung im vorderen Teil herausragten.
    Die Rotuniformierten führten die branntweinseligen Männer in eine
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