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Reise in die Unterwelt

Reise in die Unterwelt

Titel: Reise in die Unterwelt
Autoren: Michael Shea
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ihrem Näherkommen.
    »Ah«, rief er. »Jetzt verstehe ich eure Verspätung – ihr seid neu in diesem Geschäft. Der tüchtige Verdulga hätte nie anderen den Empfang der Bezahlung überlassen. Ich schließe daraus, daß ihr ihn gestürzt habt.«
    Cugel öffnete den Mund, doch der andere winkte ab. »Wir bewundern den Tatkräftigen. Wozu noch Skrupel, wenn die Sonne ohnedies jeden Tag schon sterben mag? Seid versichert, ihr habt unser vollstes Verständnis. Folgt mir nun in die Zahlkammer.«
    »Verständnis? Zahlkammer?« fragte der Than, aber der Kannibalenherrscher schritt ihnen bereits voraus. Da Cugel sich ebenfalls in Marsch gesetzt hatte, blieb ihm nichts übrig, als mitzukommen.
    Eine Kannibalendame lächelte ihm mit schwarzen Stummelzähnen zu. »Wir bewundern die Heldenhaftigkeit, mit der Ihr uns beisteht.«
    Sull, der eine feindliche Haltung erwartet hatte, war völlig verwirrt von diesen Höflichkeiten. Hastig folgte er Cugel in einen kleinen Raum, dessen Ausstattung atemberaubend war. Eine ganze Wand war mit offenen Schubkästen bedeckt, aus denen nach Kategorie sortierte Edelsteine, Münzen und sonstige Pretiosen herausquollen. Der Kannibalenherrscher nahm eine Kelle und schöpfte Juwelen in eine lederne Satteltasche.
    »Ich sehe, Ihr bewundert unsere Schätze«, wandte er sich an Cugel, der sich mit weiten Augen umblickte. »Früher herrschte reger Verkehr aus dem Westen über die Berge nach Grag. In jenen Tagen war unsere Rasse noch blutvoller und auch stärker an Zahl als jetzt. Wir profitierten von den Handelskarawanen, daher unsere gegenwärtige – Sammlung.«
    »Faszinierend!« murmelte Cugel. »Was unsere Lieferung betrifft, es waren ...«
    »Zweiundvierzig«, erklärte der Kannibalenherrscher.
    In diesem Augenblick betrat Mumber Sull die Zahlkammer. Er blickte verblüfft von den Reichtümern auf Cugel. »Unser edler Gastgeber besteht darauf, uns für unsere Bemühungen zu entschädigen«, erklärte ihm sein Lehnsmann.
    »Ihr seid zu großzügig, Sir«, wandte der Than sich an den Kannibalen. »Seid versichert, daß jeder Pfennig Euch zehnfach von Simbilis vergolten wird. Doch glaubt nicht, daß wir völlig ohne eigene Mittel sind.« Er öffnete seinen Beutel, in dem sich ursprünglich die Skubbastücke befunden hatten. Entsetzt stellte er fest, daß er nun lediglich Steine enthielt, genau wie sein Münzbeutel. Er stieß einen Schrei der Entrüstung aus. Nur mit Mühe konnte Cugel ihn beruhigen und wieder auf die Großzügigkeit des Kannibalenherrschers weisen. Als er dessen Erstaunen bemerkte, sagte er hastig:
    »Wir sind mit dem Weg zum Ausgang nicht vertraut. Wenn Ihr uns bezahlt habt, könnt Ihr uns vielleicht ...«
    »Ich gebe euch einen Führer mit«, versicherte ihm der Kannibale. »Ich sehe, ihr müßt noch viel lernen, um Verdulgas Geschäft zu beherrschen. Doch eure Belohnung wird groß sein. Wir selbst sind nur wenige«, er deutete auf die Tür zum Speisesaal, »aber wir haben viele Primitive durchzufüttern.«
    Mumber Sull starrte ihn mit offenem Mund an. Nun funkelten seine Augen vor Empörung. »Dafür also der Inhalt dieser Satteltaschen! Wie könnt Ihr es wagen, uns mit diesem Blutlohn zu beleidigen! Wir haben Euren schurkischen Lieferanten ein Ende gesetzt und sind nicht ihre Nachfolger!«
    Der Kannibalenherrscher richtete sich kerzengerade auf. »Ihr habt sie alle vernichtet? Wie furchtbar! Eine solch gedankenlose Tat mag sehr wohl eine Bedrohung unseres eigenen Lebens darstellen. Die Primitiven vermehren sich stündlich. Wenn wir sie nicht mehr füttern können, fallen sie über uns her. Und ihr habt unseren tüchtigsten Versorger getötet! Was ist mit ihren Schilden, den Kupferscheiben? Wurden zumindest sie gerettet, damit wir sie für eine neue Gruppe verwenden können?« Die Stimme des Kannibalen nahm allmählich einen drohenden Ton an. Mumber Sull machte eine abfällige Bewegung.
    »Von zweien abgesehen, warfen wir sie in einen tosenden Bach.«
    »Ihr habt uns damit vernichtet!« zischte der Kannibalenherrscher. Er brüllte einen Befehl an seine Untertanen im Speisesaal und stürmte auf den Than und seinen Lehnsmann ein.
    Sull und Cugel zogen ihre Klingen. Mit einem Hieb trennte Cugel ihm den linken Arm ab. Der Kannibale blutete kaum. Er bückte sich und hob das zu Boden gefallene Glied auf. Die Hand des amputierten Arms ballte sich zur Faust, die Muskeln spannten sich. Der Herrscher holte damit wie mit einer Keule aus. Inzwischen eilte auch etwa ein Dutzend der
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