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Reise in die Niemandswelt

Titel: Reise in die Niemandswelt
Autoren: Wim Vandemaan
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darüber. Das brennende Licht erlosch; die Jacke hing bleich und weiß da wie ein schlichtes Totenhemd, dachte er.
    Der Butler verstaute die Jacke in der Garderobe.
    Er ging ins Wohnzimmer. Er fand alles so vor, wie er es verlassen hatte. An der linken Wand die Gemälde: ein James Rizzi Galakto City Love Affair -, ein Croton Manor, ein Bilvylis Bhandur.
    Er nickte den Bildern zu, ging weiter bis vor das Panoramafenster, das die gesamte vierte Wandfläche des Wohnzimmers einnahm. Dort blieb er stehen, verschränkte die Hände auf dem Rücken und schaute. Es war später Abend, und der Goshun-See leuchtete in einem nie gesehenen milchig grünen Licht.
    Einzigartig glatt lag der See war er vereist? Glitten in der Ferne nicht Schlitten dahin, Kufenfahrzeuge?
    Rhodan überlegte.
    Hatte man in der Zwischenzeit irgendeine Fotoanlage in den See gesenkt, die das Wasser von unten beleuchtete? Hatte sich möglicherweise eine bioluminiszente Algenart im See ausgebreitet, ein Neophyt von den Sternen, das wissentlich und willentlich nach Terra importiert worden war? Ein botanischer Unfall vielleicht?
    Gut möglich. Aber wozu den See vereisen?
    »Kann ich noch etwas für Sie tun, Sir?«, unterbrach der Butler seine Gedankengänge.
    Etwas für ihn tun? Sollte er Nein sagen?
    Sollte er Ja sagen?
    Er dachte nach. Ihn fröstelte. »Ich weiß es nicht«, gestand er.
    Der Butler zögerte. »Ist Ihnen nicht gut?«
    Wieder dachte er nach. Wieder sagte er: »Ich weiß es nicht.«
    Für einen Moment erwartete er, sein Butler würde nun lachen, ein ratloses Lachen. Dann fiel ihm ein, dass er seinen Butler noch niemals hatte lachen hören.
    »Ich glaube, ich brauche einfach etwas Ruhe«, sagte er endlich.
    »Eine Stadtbesichtigung erfrischt den Geist«, murmelte der Butler.
    Er wollte den Kopf schütteln, erwidern, dass er dergleichen Impertinenz nicht schätzte. Der Wille eines Dieners hatte sich von dem seines Herrn nicht zu unterscheiden.
    Mit einem Mal verließ ihn jede Kraft zum Widerspruch. Er fühlte sich matt und abgeschlagen. Wäre es nicht wunderbar, sich im Willen eines anderen dahintreiben zu lassen wie in einem breiten Fluss, Arme und Beine von sich gestreckt, den Kopf im Nacken wie hieß diese Schwimmfigur gleich? Dieses regungslose Schwimmen eingedenk der Tatsache, dass Wasser trug?
    Will ich denn schwimmen?, dachte er. Oder will ich untergehen?
    Er wusste es nicht. Er sammelte alle Kräfte und sagte: »Ich glaube nicht, dass ich heute noch ausgehen möchte.«
    Vielleicht, dachte er amüsiert, möchte ich ja wie ein paar hundert Millionen andere Terraner auch einfach vor dem Trivid stranden. Holoserials sehen. Schaumbilder voller Helden und Komödianten.
    »Manchmal ist es besser zu gehen als zu bleiben«, sagte der Butler.
    Er dachte darüber nach wie über eine tiefe Weisheit, die man ergründen musste.
    War es eine Weisheit?
    Nein.
    Er wandte sich vom Panoramafenster ab und ging auf die Wand mit den drei Gemälden zu. Der Croton Manor war ein für den Künstler durchaus untypisches Motiv. Es zeigte den Großen Roten Sturm Jupiters, aber aus der Sicht der Planetenoberfläche, wahrscheinlich von einer Terrasse der Irene-Lieplich-Station aus.
    Er wusste, dass das Bild auf alle, die nicht mentalstabilisiert waren, einen nahezu suggestiven Einfluss ausübte. Manor war ein Mutant gewesen, der seine Farben mit dem eigenen, para-aktivpsychotropen Blut vermischt hatte. Wer vor einem seiner Originale stand, erlebte ein einzigartiges Hochgefühl, eine nie gekannte Euphorie.
    Wie es wohl wäre, euphorisch zu sein?
    Er war gegen die Suggestionen des Bildes taub. Betäubt worden.
    Für einen Moment überlegte er, ob das Bild seinen Butler glücklich machen würde. Sollte er ihn fragen?
    Nein. Er wünschte keine Vertraulichkeit mit seinem Domestiken.
    Was wünschte er denn?
    Er lauschte in sich hinein.
    Nichts.
    Er ging einen Schritt weiter und stand vor dem Gemälde von Bilvylis Bhandur. Es zeigte seinen Freund Reginald Bull in einer schwarzen Paradeuniform, ein dezenter Kranz aus Howalgoniumkristallen saß ihm knapp über den Augenbrauen auf der Stirn. In der Hand hielt er ein zugleich kostbar wie gediegen wirkendes Zepter, den Stab des Flottenoberkommandierenden. Die Augen des Porträts fixierten den Betrachter, es war, als wollten sie ihn ausforschen.
    Schließlich das uralte Bild Rizzis. Das war eine kunterbunte Collage, die ersten Wohntürme von Galakto City traten plastisch hervor, Pappkameraden wie von Kinderhand, der Raumhafen, von
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