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Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken

Titel: Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken
Autoren: Yannik Mahr
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selbst Deutsche mit begrenzten Sprachkenntnissen wunderbar zurechtkommen.
    Zudem müssen wir uns in unseren vier Lieblingsländern keine Sorgen um unsere Sicherheit machen. Das ist wichtig. Fast jeder zweite Deutsche passt sein Reiseverhalten inzwischen den Reise- und Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes an, nur dreizehn Prozent lassen sich von Krisen überhaupt nicht beeinflussen. Damit wir uns erneut nicht falsch verstehen: Grundsätzlich gehören Reisen zu den letzten Dingen, auf die ein Deutscher verzichten würde. Nur muss es eben nicht gerade dorthin gehen, wo gerade ein Hotel in die Luft geflogen oder ein Bürgerkrieg ausgebrochen ist.
    Nach Katastrophen wie den Terroranschlägen des 11. September, den Attentaten von London oder den Unruhen in Ägypten sind die Deutschen zunehmend vorsichtig geworden, was die Wahl ihres Urlaubsorts angeht. Warm und sonnig soll es zwar möglichst immer noch sein, aber eben auch risikoarm. Was die Zahl der Ziele deutlich einschränkt, denn von einem der am weitesten entwickelten Länder der Welt aus gesehen wirken die meisten anderen ziemlich bedrohlich. Umgekehrt ist die Bundesrepublik für Touristen aus allen Teilen der Welt ein ideales, weil so sicheres Reiseziel.
    Vielleicht ist das der Grund dafür, dass hierzulande noch nie so viele Übernachtungen in Hotels und anderen Beherbergungsbetrieben gezählt wurden wie im Jahr 2010. Es waren genau 380,3 Millionen, allein die Zahl der ausländischen Besucher stieg um zehn Prozent.
    Zu Hause ist es halt doch am schönsten!

Kurabgabe – ja klar!

    Ausländische Gäste beklagen sich bei ihren Deutschland-Besuchen immer wieder darüber, dass so wenig von der Mauer übrig geblieben sei. Das Symbol für die Trennung und Wiedervereinigung, von dem sie viel gelesen und gehört haben, wollen sie schließlich auch mal sehen! Doch sie finden nur eine gelbe Linie, die den früheren Mauerverlauf durch Berlin anzeigt, und hier und da ein paar mit Graffiti bemalte Überreste. Hätte man nicht wenigstens den einen oder anderen Checkpoint und Übergang genau so lassen können, wie er war? Als Erinnerung und Mahnmal, und vor allem: als touristische Attraktion?
    Die Frage ist im Nachhinein berechtigt, auch wenn man keinem der Beteiligten vom November 1989 vorwerfen kann, sich nach der Öffnung der Mauer direkt an deren Demontage gemacht zu haben. In Ost- und Westberlin konnte das Ding einfach keiner mehr sehen, deutsche Gründlichkeit tat den Rest. Trotzdem müssen ausländische Besucher bei uns nicht auf langwierige Kontrollen und gut gesicherte Grenzübergänge verzichten. Sie dürfen eben nicht nur in die Hauptstadt fahren, sondern müssen sich auch die deutschen Zonenrandgebiete ansehen!
    Das schöne Sylt etwa, das auf seinen insgesamt rund vierzig Kilometern Strand all das bietet, was der Tourist in Berlin schmerzlich vermisst. Soll keiner denken, dass er einfach so ans Meer oder zu seinem reservierten Strandkorb kommt! Vor das Sonnen- und jedes andere Bad haben Sylts Ämter die Kurkartenkontrolle gesetzt. Im ansonsten pittoresken Westerland kommt man sich am Ende der Friedrichstraße fast vor, als müsse man an einem Grenzposten vorbei. Viel freundlicher als die Bundespolizei am Flughafen gucken die Damen und Herren in dem kleinen Abfertigungshäuschen auch nicht. Und wehe, einer versucht, sich einfach so durchzuschummeln!
    Nun mag es für den einen oder anderen Touristen, gerade wenn er nicht aus Deutschland kommt, anachronistisch wirken, dass er in Europa von Land zu Land fahren kann, ohne einmal seinen Personalausweis vorzuzeigen, auf Sylt aber ohne Kurkarte nicht einmal von der Haupteinkaufsstraße ans Wasser kommt. Möglicherweise ärgert er sich sogar, dass er Geld für etwas bezahlen muss, was es im benachbarten Dänemark komplett kostenlos gibt: einen Spaziergang an der Nordsee zum Beispiel.
    Doch das hält die Sylter und die meisten anderen deutschen Bade-, Kur- und Urlaubsorte nicht davon ab, an der Kurtaxe festzuhalten und sie in regelmäßigen Abständen zu erhöhen. „Kurabgabe – ja klar!“ wirbt die Sylt Marketing GmbH, als sei die Touristensteuer allein Grund genug, sich gen Norden aufzumachen. Stolz verweist man darauf, dass es „die Kurabgabe – damals noch Kurtaxe genannt“ auf der Insel schon seit 1900 gebe. Genau sieben Jahre vorher hatte der Preußische Landtag die Zwangsabgabe offiziell zugelassen. Frühere Vorbilder soll es in Bad Pyrmont (1413) und Baden-Baden (1507) gegeben haben, und damit dürfte
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