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Reigen des Todes

Reigen des Todes

Titel: Reigen des Todes
Autoren: Gmeiner-Verlag
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soff Schnaps so wie andere Wasser. Das Schnapssaufen war auch der Grund für Popovics Malaise.
    Als g’standener Wiener trank er lieber Bier oder Wein. Bier vor allem im Sommer, wenn es heiß war. Aber wenn sie mit dem Hauptmann ausgingen, wurde immer Schnaps getrunken. So lange, bis der Korenyi umfiel. Und als ihm gerade das durch den Kopf ging, erschien der Hauptmann. Leichten Fußes tänzelte er die Stiege hinunter und die Standeskontrolle konnte endlich beginnen.
    Später, als sich die Soldaten der 2. Kompanie des k.u.k. Infanterieregiments N° 4 für das vormittägliche Exerzieren auf der Wasserwiese im Prater fertig machten, tranken die Offiziere in der Kompaniekanzlei noch schnell einen türkischen Mokka. Ein Usus, den Korenyi vor Jahren eingeführt hatte. Der Türkische wurde während der Standeskontrolle von Korenyis Burschen gekocht, sodass die Herren, nachdem sie aus der Kälte in die wohlig warme Kanzleistube getreten waren, dampfend heißen Kaffee schlürfen konnten. Heute war Popovic dem Korenyi dafür dankbarer als je zuvor. Der Türkische wärmte und brachte seinen Kreislauf auf Trab. Als er aus dem Reich der Halbtoten wieder hinüber zu den Lebenden gewechselt war, betrat eine Ordonnanz des Regimentskommandanten die Kanzlei. Der Fähnrich begrüßte die Anwesenden mit einem »Na, sind wir schon so früh bei einem Kaffeeplausch, meine Herren? Wünsche einen schönen guten Morgen!«
    Korenyi, der auf Unverschämtheiten äußerst sensibel reagierte, maß die Ordonnanz vom Scheitel bis zur Sohle und sagte leise, ohne dabei die Kaffeeschale wegzustellen: »Herr Fähnrich! Bevor du kecke Bemerkungen machst, solltest du lieber einmal grüßen lernen …«
    Der Fähnrich nahm Haltung an, salutierte und machte Meldung. »Herr Hauptmann soll sich umgehend in das Regimentskommando begeben. Befehl von Oberst Daler.«
    Korenyi murmelte »Da schau her« sowie ein leises »Abtreten«, worauf die Ordonnanz salutierte und den Raum verließ. »Meine Herren, ihr habt gehört, ich muss zum Alten. Also: Dunzenberger, Oblak und Popovic, ihr macht’s mit unseren Leuten das ganz normale Exerzieren. Keine Gewalttouren, keine Extrawürste. Dazu ist es heute ein bisserl zu kalt. Biasutti, du bleibst herinnen und kümmerst dich um die Kanzlei. Hoffe, dass ich jetzt nicht stundenlang beim Alten sitzen muss … Eine mühselige Lagebesprechung würde mir heut gar nicht konvenieren. Meine Herren, gemmas an!« Damit verließen die Offiziere die Kanzlei und ein ganz normaler Vormittag nahm seinen Lauf.
     
    Zu Mittag, zurück in der Kaserne, erfuhren Popovic, Oblak und Dunzenberger von Korenyi folgende Neuigkeit: Der Kommandant des ersten Bataillons, Oberstleutnant Vestenbrugg, war heute nicht zum Dienst erschienen. So wie es aussah, hatte er die Nacht auch nicht in seinem Zimmer in der Kaserne verbracht. Das Regimentskommando war beunruhigt und hatte eine Suche nach Vestenbrugg eingeleitet. Beim Mittagessen im Offizierskasino war das Verschwinden des Oberstleutnants das alles beherrschende Thema. Nach dem Essen nahm Popovic gemeinsam mit Dunzenberger und Korenyi im Rauchsalon einen Kaffee. Da kam sein Bursche und überbrachte ihm einen Brief mit der Bemerkung: »Wurde für Sie von einem Mädel beim Torposten abgegeben, Herr Leutnant.«
    »Popovic, hast ein Gspusi, von dem wir nichts wissen?«, lachte Dunzenberger. »Willst uns den Brief nicht vorlesen? Vielleicht gar von dem Dienstmädel, das du gestern Nacht in den Büschen im Prater glücklich gemacht hast … wobei ich es für unwahrscheinlich halte, dass so eine überhaupt schreiben kann …«
    »Komm, Popovic, spann uns nicht auf die Folter und lies vor!«, raunzte Korenyi in einem freundschaftlichen, aber doch befehlenden Tonfall. Der Leutnant brach das Siegel auf, faltete den Brief auseinander und las – etwas konsterniert – den anderen vor:
    Lieber Hansi!
    Verzeih, dass ich mich aus heiterem Himmel nach so vielen Jahren bei Dir melde. Bin in einer schrecklichen Notsituation und weiß nicht aus noch ein. Bitte hilf mir! Heute! Bitte!
    Deine dankbare Steffi Moravec
    Popovic ließ den Brief sinken, sah seine Kameraden verblüfft an und brummte: »Die Steffi. Na so was …«
    Dunzenberger nahm ihm den Brief aus der Hand, prüfte dessen Papierqualität, roch daran und bemerkte fachmännisch: »Handgeschöpftes Büttenpapier, ordentliche Qualität. Zartes Rosenparfum, passable Handschrift. Sag, Popovic, hast gar mit einer verheirateten Frau ein
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