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Reigen des Todes

Reigen des Todes

Titel: Reigen des Todes
Autoren: Gmeiner-Verlag
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aufgekreuzt und ihr bei der Beseitigung des Malheurs hilfreich zur Seite gestanden war? Dankbarkeit war allerdings kein Kriterium, um mit einem Mann auf längere Zeit hindurch ins Bett zu gehen, räsonierte die Moravec. Und was die Angst betraf, alleine in der Wohnung zu übernachten, damit musste sie fertig werden. Dass Vestenbrugg nicht ewig an ihrer Seite sein würde, war ihr bereits zu Beginn der Beziehung klar gewesen. Dafür war er viel zu alt und sein Körper viel zu verkommen. Als sie den Oberstleutnant das erste Mal ohne Uniform vor sich stehen sah, hatte sie sich gedacht: Was für ein fettes, schlaffes Mannsbild … Und in den drei Jahren, die seither vergangen waren, hatte Vestenbrugg um die Leibesmitte noch einige Speckringe zugelegt. Sonderlich attraktiv war er aufgrund seines Übergewichts ja nicht gewesen. Gleichwohl bedauerte sie sein Ableben. Denn ohne Vestenbrugg war sie mehr oder weniger mittellos. Wer würde nun für ihren Lebensunterhalt aufkommen? Der neben ihr schnarchende und furzende Hansi Popovic sicher nicht. Er kam so wie sie aus kleinen Verhältnissen. Als Kinder hatten sie an den damals noch nicht regulierten Ufern des Wienflusses Räuber und Gendarm gespielt. Wobei der Hansi, wann immer er sie fangen konnte, seinen Körper an den ihren gedrückt und meistens nach ihren kleinen, unschuldigen Brustwarzen gegriffen hatte. Das war eine schöne Zeit damals. Aber was sollte sie heute mit dem Hansi anfangen? Mit einem kleinen, schlecht bezahlten Leutnant? Friedrich Freiherr von Vestenbrugg war immerhin Stabsoffizier und Kommandant eines Deutschmeister-Bataillons. Außerdem bezog er von seiner sehr vermögenden Familie eine stattliche Apanage, die er früher versoffen und verspielt, in den letzten drei Jahren aber in seine Geliebte investiert hatte. Vestenbrugg hatte ihr teure Geschenke gemacht und außerdem die Miete der Dreizimmerwohnung bezahlt. Ob der Hansi zumindest diese Kosten übernehmen könnte? Steffi Moravec grübelte vor sich hin und gab schließlich dem schnarchenden Popovic mit dem Ellbogen einen Stoß. Dieser wachte grunzend auf und wurde – noch im Halbschlaf – mit folgender Frage konfrontiert: »Sag, Hansi, kannst du mir in Zukunft die Miete zahlen? Sie beträgt hundert Kronen im Monat …«
    »Was? Wie kommst denn auf diese Idee? Wo soll ich bei meinem lächerlichen Sold hundert Kronen im Monat hernehmen?« Verschlafen rieb er sich die Augen, wurde aber plötzlich hellwach, als die Moravec die Bettdecke lüftete und ihm einen harten Faustschlag in den Unterleib versetzte. Die Attacke wurde unbarmherzig fortgeführt, indem sie mit beiden Händen sein Haar ergriff und seinen Schädel so lange gegen das Betthaupt aus massivem Eichenholz schlug, bis er bewusstlos war. Steffi Moravec stand auf, packte seinen Körper und schleppte ihn hinaus ins Vorzimmer. Anschließend kehrte sie ins Schlafzimmer zurück, sammelte die verstreut herumliegenden Uniformteile sowie Popovics Degen ein, öffnete das Fenster und warf alles in den Hof hinunter. Sie sperrte die Wohnungstür auf, zog den nackten Leutnant ins Treppenhaus, holte ihn mit ein paar Ohrfeigen in die Realität zurück, legte ihm den Zeigefinger an den Mund und flüsterte: »Psst! Du bist völlig nackt … deine Uniform und dein Degen liegen unten im Hof. Also mach keinen Skandal! Geh runter und zieh dich an. Und dann verschwind aus meinem Leben!«

VI.
    Graf Nikolaus Collredi war ein gestandener Konservativer – so wie es sich für einen Markgrafen und Großgrundbesitzer geziemte. Trotzdem glaubte er, dass er ein Mann des Volkes sei. Die Ursachen dafür lagen in seiner Jugend, die er auf den Gütern seiner Familie in Böhmen verbracht hatte. Dort war er unter der Obhut seines Großvaters – ein Land- und Forstwirt aus Passion – mitten unter der Landbevölkerung, den unzähligen Dienstboten und deren Kindern aufgewachsen. Im Unterschied zu den anderen hatte der kleine Nikolaus aber einen eigenen Hauslehrer sowie eine Musikerzieherin, die gemeinsam für seine geistige und musische Ausbildung sorgten. Diese unbeschwerte Kindheit endete mit seinem elften Lebensjahr, als er ins Gymnasium und Internat der Schotten in Wien kam, wo dem Buben der notwendige intellektuelle und gesellschaftliche Schliff gegeben wurde. Eine Gewohnheit seiner Kindheit legte er aber sein ganzes Leben nicht ab: Er ging gerne zu Fuß. In der Regel ließ er seine Kutsche nur anspannen, wenn er ins kaiserliche Schloss nach Schönbrunn gerufen wurde. Und so
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