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Reigen des Todes

Reigen des Todes

Titel: Reigen des Todes
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Fluchen eines Kutschers aus den Erinnerungen. Zum Glück blieb er erschrocken mitten am Quai stehen. Wenige Zentimeter vor seinen Zehen donnerte ein mit Baumaterial schwer beladenes Pferdefuhrwerk vorbei. Rasant näherte sich auch ein Automobil, das schrill hupte. Im letzten Augenblick sprang Schöberl auf den sicheren Gehsteig. Vor ihm befand sich ein hell beleuchteter, mit Marmor verzierter Hauseingang, dessen Tür mit kunstvollen Schmiedearbeiten verziert war. Nun stand er da – wie die Kuh vorm neuen Tor. Doch neuerlich hatte er Glück, ein elegant gekleideter Herr verließ eiligen Schrittes das Haus. Mit einem Sprung vorwärts verhinderte Schöberl das Zufallen der Tür. Klatschnass – durch den heftigen Schneesturm – trat er in die trockene Geborgenheit des Bürgerhauses ein. Er sah einen prunkvollen Stiegenaufgang mit breiten Treppen sowie einen aus edlem Holz und Glas gefertigten Lift und genoss die Wärme und die Gerüche, die aus den Wohnungen strömten. Mit bebenden Nasenflügeln witterte er den Duft einer morgendlichen Eierspeise sowie ein Bouquet unterschiedlicher Kaffeearomen: Bohnen-, Malz- und Zichorienkaffee. Auch der Geruch von angebrannter, auf die heiße Herdplatte übergelaufener Milch lag in der Luft.
     
    Plötzlich hörte er, wie im Stockwerk oberhalb eine Tür aufgemacht und wieder geschlossen wurde. Eilige Schritte kamen den Gang entlang. Blitzschnell überlegte er, wo es für ihn ein Versteck gäbe. Denn eines war klar: Erwischen lassen durfte er sich in diesem Stiegenhaus nicht. Eine Verhaftung wegen Vagabundage oder gar wegen Mordes – er hatte ja noch immer den in Fetzen gehüllten Unterarm bei sich – wäre die unmittelbare Folge gewesen. In seiner Not fand er unterhalb der nach oben geschwungenen Treppe einen Hohlraum, in dem er sich verkroch. Von hier aus erhaschte er den Anblick derber Frauenschuhe sowie den Saum eines Rocks und einer weißen Schürze. Vorsichtig lugte er aus seinem Versteck und sah ein Dienstmädchen, das in einen weiten Umhang gehüllt mit weißer Haube auf dem Kopf und bauchigem Einkaufskorb in der Hand, hinaus ins Schneegestöber verschwand, den zarten Geruch von Kernseife und das würzige Aroma frisch gemahlener Kaffeebohnen im Stiegenhaus zurücklassend …

II.
    Als Leutnant Hans Popovic auf den Kasernenhof hinaustrat, formte sein Atem eine bleiche Fahne. In der eisigen Kälte des Februarmorgens sah er, dass die Kompanie samt seinem eigenen Zug in rechteckiger Formation angetreten war. Vom Eingang des Kompaniegebäudes ging er die Stiegen hinunter, der diensthabende Unteroffizier Ladislaus Novak salutierte. Popovic dankte ihm nachlässig grüßend und beobachtete danach aus den Augenwinkeln, dass der Oberleutnant Dunzenberger und der Fähnrich Biasutti, die ihm folgten, noch viel nachlässiger grüßten, indem sie nur mit dem Kopf nickten. Wortlos bezogen die Offiziere Position bei ihren Zügen. Ladislaus Novak kommandierte mit einer gewaltigen Fahne warmen Atems vorm Gesicht »Habt Acht!« und alle warteten, dass nun die rundliche Gestalt des Kompaniekommandanten erscheinen werde. Doch wie so oft, während bereits die Befehle von den anderen Kompanien herüberhallten, war Hauptmann Korenyi ein bisserl unpünktlich. Und so standen die Soldaten der 2. Kompanie reglos in der Kälte und verfolgten, wie eine blutrote Sonne Stück für Stück hinter der Kaserne den eisgrauen Himmel emporkroch.
     
    Er, Leutnant Hans Popovic, hatte für das Naturschauspiel keinen Kopf. Denn der seine schmerzte, und er kämpfte einen tapferen Kampf mit seinem Kreislauf, der ihm den Dienst versagen wollte. Die blödsinnige Sauferei gestern Abend … War ja ganz lustig gewesen mit dem Hauptmann, dem Dunzenberger, dem Oblak und dem Biasutti. Vor allem die Mädel, die sie in dem Prater-Etablissement auf ihren Schößen sitzen gehabt hatten. Alle Achtung! Fesche junge Dienstmädel. Solche, die bei ihren gnädigen Frauen daheim richtig hart anpacken und den ganzen Tag treppauf, treppab rennen mussten, und die deshalb so stramme Waden und Schenkeln hatten. Alle Achtung! Nur das viele Saufen, das hätte nicht sein müssen. Während von den anderen Kompanien die Standeskontrollen zu hören waren, war der Korenyi noch immer nicht erschienen. Hoffentlich war ihm nix passiert. So angesoffen wie der war, konnte der glatt aus dem Bett gefallen sein und sich das Genick gebrochen haben. Oder vielleicht war er im Schlaf am eigenen Erbrochenen erstickt? Der Korenyi war ein echter Ungar. Der
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