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Reich der Schatten

Reich der Schatten

Titel: Reich der Schatten
Autoren: Shannon Drake
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kleine Gemeinde am Rand von Paris. In der Stadt gibt es so viele Sehenswürdigkeiten, dass so eine kleine Ausgrabung wohl kaum viel Aufmerksamkeit verdient. Irgendein Professor, der dort arbeitet, ist allerdings überzeugt, dass sich dort eine wichtige historische Fundstelle befindet, aber bei seinen Kollegen stößt er damit offenbar auf wenig Begeisterung. Die meisten Leute kommen doch nach Paris, um die tollen Museen zu besichtigen. Wer einen Sinn fürs Morbide hat, kann ja in den Katakomben rumkriechen und sich Tausende von Knochen anschauen.«
    »Vielleicht ist Großpapa deshalb so aufgeregt, weil die Ruine in unserem kleinen Dorf steht. Er ist hier aufgewachsen und hat den Großteil seines Lebens hier verbracht. Vielleicht denkt er, dass unsere Familie etwas mit den Ausgrabungen zu tun hat.«
    »Das habe ich ihn auch gefragt«, erklärte Ann. »Doch er war richtig entsetzt und meinte, wir hätten mit entweihtem Boden wahrhaftig nichts zu tun. Na ja, du hast zwar von Paris noch nicht alles gesehen, aber das Berühmteste und Bedeutendste kennst du ja. Wenn du also in einer Gruft herumkriechen willst, kannst du das von mir aus gerne tun!«
    »Aber du hast doch gemeint, du hättest Angst, dass ihn das in seinen Hirngespinsten bestärken würde.«
    Ann zuckte wieder mit den Schultern. »Tja, das fürchte ich noch immer, aber ich versuche auch, den Rückstand im Büro aufzuholen. Und ich versuche zu verhindern, dass die alte Bude zusammenfällt, ohne mit großer Unterstützung rechnen zu können. Ich meine jetzt nicht dich, deine Familie, deinen Bruder oder meine Familie. Ich meine nur den Alltag – Bäder putzen, Aufräumen, das Dach in Ordnung halten, den Efeu bekämpfen. Katia ist für den Haushalt zuständig, Roland für das Grundstück. Debbie, Großpapas alte Assistentin in den Staaten, hat geschrieben, dass sie herkommen und sich um ihn kümmern möchte, aber es wird noch eine Weile dauern, bis sie alles geregelt hat. Wie du dir vielleicht vorstellen kannst, hatte ich nicht viel Zeit, um irgendwelche alten Ruinen zu besichtigen. Ich bin echt froh, dass du jetzt da bist. Du hast doch gemeint, dass du Lust hättest, hier ein paar Zeichnungen zu machen, zu denen du zu Hause nie kommst – also nicht das kommerzielle Zeug, mit dem du deine Rechnungen bezahlst, sondern was Künstlerisches. Vielleicht inspiriert dich ja die Gruft, und man lässt dich sogar eine Staffelei aufstellen. Ach, ich weiß nicht – ich liebe den guten alten Jacques von ganzem Herzen. Weißt du noch, wie es früher war? Er hat Unterhaltungsliteratur geschrieben, die sich gut verkauft hat, aber man hat ihn immer interviewt, als ob er ein großer Gelehrter oder ein hochliterarischer Schriftsteller wäre. Er kannte sich aus in der Welt und mit der menschlichen Natur. Ich will den Großvater, den wir unser Leben lang gekannt und geliebt haben, nicht verlieren.«
    »Ich liebe ihn auch. Er ist einfach ein fantastischer Mensch. Ihm verdanke ich meine Liebe zur Kunst, und du hast bei ihm bestimmt eine Menge über das Schreiben und das Verlegen von Büchern gelernt. Er ist uns beiden wichtig, und auch er liebt uns bestimmt von ganzem Herzen.«
    »Ja, aber du bist mit einem Faible für Geschichten, Märchen und Legenden gesegnet. Ich bin viel zu logisch und vernünftig für solche Dinge. Also rede du mit ihm. Sieh zu, ob du begreifst, was in ihm vorgeht.«
    »Ich habe fest vor, alles zu tun, was nötig ist. Deshalb bin ich hier.«
    Ann nickte, dann verstummte sie.
    Sie hatten die Stadt hinter sich gelassen und fuhren nun durch eine wunderschöne Gegend, über die kleinere Ansammlungen hübscher älterer Häuser verstreut waren. Es dauerte nicht lange, bis Tara die Zufahrt zum Château erblickte und dann das Haus, das ihr als Kind wie ein Märchenland vorgekommen war. Die Zufahrt schlängelte sich scheinbar ziellos durch Blumenrabatten – Ann bezeichnete die Blumen als ihre Babys – zu dem kiesbedeckten Platz vor den alten steinernen Eingangsstufen.
    Die Tür ging auf, und Roland, der etwa genauso alt war wie ihr Großvater, eilte die Stufen herab. Noch bevor Tara die Wagentür öffnen konnte, riss er sie auf und begrüßte sie stürmisch. Er sprach so schnell, dass Tara kaum etwas verstand, doch das spielte keine Rolle, sie wusste, sie war willkommen. Sie umarmte ihn und bestand darauf, ihr Gepäck selbst zu tragen. Inzwischen war auch Katia, die ein paar Jahre jünger war als Roland, an der Tür aufgetaucht. Sie wischte sich die Hände an der
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