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Reibereien

Reibereien

Titel: Reibereien
Autoren: Philippe Djian
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Flughafenhalle war noch ziemlich belebt. Ein verschlafenes Mädchen brachte mir einen Ba nanensplit, meine Mutter hatte schließlich ja ge sagt und ein bitteres, teuflisch rotes Zeug bestellt und er einen Whisky. Er blickte mich an, blickte meine Mutter an. Dann begann er wieder die Umgebung zu mustern. Er hielt seine Tasche auf dem Schoß. An einem anderen Tisch weinte eine Frau stumm, und der Mann, der ihr gegenübersaß, streichelte ihre Hand.
    Meine Mutter stand auf, um Zigaretten zu ho len. Mein Vater meinte: »Dann haben wir jetzt ein bißchen Zeit füreinander. Nur du und ich.« Aber dann sagte er kein Wort mehr. Er ließ die Augen in eine andere Richtung schweifen, während ich mein Eis aufaß und die Frau am Nebentisch heiße Trä nen in ihr Taschentuch vergoß.
    Meine Mutter kam zurück. Sie bemühte sich, die Ruhe zu bewahren. Sie rauchte nervös. Seit wir das Haus verlassen hatten, war sie schon in diesem Zu stand. Und auch blasser als sonst. Und blasser als die anderen Male.
    Der Stoff der Hose meines Vaters spannte sich an seinem Knie. Er hatte sein Bein auf einen Stuhl ge legt und betrachtete es manchmal mit ernster Mie ne. Dann blickte er meine Mutter an, die sich soeben eine Sonnenbrille auf die Nase gesetzt hatte. Man sah ihre Augen nicht mehr.
    »Hör mal«, sagte er zu ihr. »Ich kann dich doch wohl ab und zu um eine Gefälligkeit bitten, hm? Das bringt dich doch nicht um.«
    Damit war ich eher einverstanden. Man konnte nicht sagen, daß er uns oft auf die Pelle rückte. In zwei Jahren hatten wir ihn höchstens fünf- oder sechsmal gesehen und meistens nur auf einen Sprung, er hatte es immer eilig. So wie seine Ge schäftspartner. Meine Mutter wollte sie nicht se hen. Sie warteten stundenlang im Auto meines Vaters, oder sie stiegen aus, um sich auf dem Bürgersteig die Beine zu vertreten, während meine Mutter und er sich anschrien, immer wegen den gleichen Geschichten. Aber im allgemeinen richtete er es so ein, daß er allein kam, und wenn er ein oder zwei Tage bleiben konnte, legten wir eine zweite Ma tratze in mein Zimmer. Wir wünschten uns gegenseitig eine gute Nacht. Wenn er schlief, wandte ich mich ihm zu und nutzte die Gelegenheit, um ihn ungestört betrachten zu können. Ich fand, daß er jünger wirkte, wenn er schlief. Meine Mutter sagte ständig zu ihm, daß er noch ein kleiner Junge sei, und das sah man ein bißchen, wenn er schlief, zumindest hatte ich diesen Eindruck.
    Genau in diesem Augenblick wurde angekündigt, daß das Flugzeug meines Vaters eine halbe S tunde Verspätung hatte.
    Meine Mutter sagte: »Ich glaube nicht, daß ich das noch eine halbe Stunde aushalte. Wirklich nicht.« Sie zündete sich eine Zigare tt e nach der anderen an. Wenn irgend etwas nicht stimmte, verwandelte sich meine Mutter in eine Dampf- lokomotive. Und anschließend beklagte sie sich, daß sie Bauchschmerzen hatte, und schickte mich zur Nachbarin, um Maloxan zu holen, und diese Zicke sagte immer wie der: »Dein Vater bringt sie noch um mit seinen be schissenen Ideen, du wirst sehen.« Ich enthielt mich jeglichen Kommentars.
    Sie starrten einander schweigend an. Dann woll te mein Vater ihr eine runterhauen, aber das ging ziemlich daneben, denn meine Mutter konnte ganz schön schnell sein. Sie spielte gut Tennis. Trotzdem hing ihr die Brille plötzlich schräg auf der Nase. »Ich kann dir nur raten, dir ein bißchen Mühe zu geben«, zischte mein Vater sie an. Und dabei hielt er mich am Arm fest und fügte hinzu: »Aber ich will dich natürlich nicht zurückhalten. Weißt du, wir beide halten dich nicht zurück« Schließlich senkte sie den Kopf.
    Das hatte sie durstig gemacht. Mein Vater gab dem Mädchen, das immer öfter gähnte und sich die Arme rieb, ein Zeichen und bestellte für uns noch einmal das gleiche. Trotz der ungeheuren inneren Anspannung gelang es meiner Mutter, sich zu be herrschen, seit er mich festhielt. Sie war noch im mer bei uns. Diese Runde hatte mein Vater gewonnen. Er hatte uns beide in der Hand.
    Ich machte mich über meinen zweiten Bana nensplit her und fragte mich dabei, ob mein Magen nicht schon voll genug war für die Nacht. Meine Mutter leerte ihr Glas in einem Zug. Ich spürte, wie sie das aufputschte.
    Mein Vater ließ mich schließlich los, aber ich saß in seiner Reichweite und starrte unentwegt auf einen Sahneberg, der ziemlich stark nach Milch schmeck te, was ich nicht so gern mochte, außerdem wußte ich sowieso nicht, wohin ich mich hätte verziehen können. Mein
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